Goch-Pfalzdorf Freude und Sorge wegen Winter-Blüten

Goch-Pfalzdorf · Brombeerhecken und Rosen blühen, Tulpengewächse ragen schon 15 Zentimeter aus dem Boden. Mancher Hobbygärtner fürchtet wegen der viel zu warmen Dezember-Temperaturen um seine Pflanzen.

 Ralf Dammasch vom Reidelhof mit europäischem Stechginster, dessen Blütezeit sonst von Anfang Frühling bis Frühsommer reicht.

Ralf Dammasch vom Reidelhof mit europäischem Stechginster, dessen Blütezeit sonst von Anfang Frühling bis Frühsommer reicht.

Foto: Stade, Klaus-Dieter (kds)

Schon über den ersten Satz, den er zum Thema sagt, muss er selbst lachen: "Als ich gestern den Rasen mähte .. ." - eine für den Dezember wahrlich ungewöhnliche Betätigung. Aber es kommt noch verrückter: Auf dieser Tour durch seinen knapp 5000 Quadratmeter großen Garten begegnete Ralf Dammasch auch blühenden Lilien, roten und weißen Rosen, kräftig gelbem Ginster, von austreibenden Frühlingsblumen wie Tulpen und Narzissen gar nicht zu reden.

"Wenn ich früher im Dezember mal den Mäher rausholte, dann nur, um das Laub zu sammeln, aber jetzt ist tatsächlich das Gras zu lang!" Dammasch lebt mit seiner Frau Petra und seiner Tochter im Außenbereich von Pfalzdorf und ist Fernsehzuschauern auch aus verschiedenen Vox-Gartenserien bekannt. Der 49-Jährige hat als Bereichsleiter bei Freudenberg Gärten und Grünflächen jeder Art gepflegt, im Sommer wie im Winter. Inzwischen ist er Freiberufler, hat bei Vox seine eigene Sendung: "Die Beet-Brüder", eine Soap mit der Idee, innerhalb von sieben Tagen trostlose Grundstücke fremder Leute in prächtige Gärten umzugestalten. Derzeit wird nicht gedreht, die Produktion läuft erst wieder im Frühjahr an.

 Die ungewöhnlichen Wetterbedingungen sorgen derzeit - nicht nur in Dammaschs Garten - für beachtliche Farbenspiele. Hier: Riesensteinbrech, das üblicherweise zwischen April und Mai seine rosa Blütentrauben bildet.

Die ungewöhnlichen Wetterbedingungen sorgen derzeit - nicht nur in Dammaschs Garten - für beachtliche Farbenspiele. Hier: Riesensteinbrech, das üblicherweise zwischen April und Mai seine rosa Blütentrauben bildet.

Foto: Stade, Klaus-Dieter (kds)

"Normalerweise lasse ich den Garten in dieser Zeit in Ruhe. Aber da im Moment das Unkraut genauso gut wächst wie die Stauden, muss ich da bald mal tätig werden", meint Dammasch. Sonst überwuchern Brennnessel und Löwenzahn noch die gerade erblühenden Taglilien oder den rosafarbenen Riesensteinbrech. Die Magnolie Suzanne steht ebenfalls kurz vor der Blüte und der Ginster scheint zu glauben, dass es Ende April ist. Ab und zu bricht eine Rhododendronblüte auf. Wird der Traumgarten der Familie Dammasch sich im Frühling für den (bislang) ausgefallenen Winter rächen? "Junge Triebe, die jetzt noch zu zart sind, werden kaputt frieren, wenn es noch Frost gibt, und Blüten, die einmal verkümmert sind, kommen nicht wieder. Pflanzen treiben dann neu aus, aber nicht mehr so kräftig wie im ersten Anlauf", sagt er. Noch stehen Obstbäume nicht in Blüte, aber wenn die zweistelligen Temperaturen noch lange andauern, wird es dazu kommen. Und dann sind die Ernten gefährdet. "Außerdem ist eine schwächelnde Pflanze auch anfälliger für Schädlingsbefall. Und wenn sie davon erst einmal betroffen ist, kann der nächste Winter ihr richtig zusetzen." Hobbygärtnern rät Dammasch, etwas weniger zurückzuschneiden als in normalen Wintern, notfalls könne ein Korrekturschnitt im Frühjahr erfolgen. Und das Unkraut - na ja, das sollte raus.

Dietrich Cerff von der NABU-Naturschutzstation Niederrhein sieht das Thema aus der wissenschaftlich-ökologischen Perspektive: "Bei nur einem solchen Winter kommt die Natur noch nicht nennenswert durcheinander, das müsste dann schon jahrelang so gehen." Einige Pflanzen bräuchten tatsächlich sogar Frosttage, um danach überhaupt zu keimen. Cerff kennt sich nicht nur mit der Vegetation, sondern auch mit den Tieren in Wald und Feld aus. So sorgt er sich zum Beispiel um die Insekten, die in milden Wintern besonders von Pilzen und Bakterien befallen werden. Was mit der Obstbaumblüte passiert, wenn zu wenig (Wild-)Bienen fliegen, wissen auch Laien.

Der durchschnittliche Hobbygärtner wird mit Kleinsttieren, die auf seinen Blumen und Sträuchern herum krabbeln, nur wenig Mitgefühl haben. Aber sie sind Nahrung für Insekten und Vögel, die wohl jeder in seinem Garten sehen will. Und aus Blattläusen und Co., erzählt Cerff, werden heutzutage auch diverse Arzneimittel gewonnen. Man sollte sie also nicht komplett verdammen. Als Biologe rät Cerff, es Flora und Fauna leichter zu machen, indem Gärten naturnah gestaltet werden. Mit standortgerechten Pflanzen, Hecken, Laub- und Reisighaufen für Igel, Feuchtstellen für Amphibien. Wer Weißdorn und andere Beeren tragende Sträucher setze, sorge damit auch für die Ernährung der Vögel im Winter und könne auf Meisenknödel und Co. verzichten. Wo Vögel Nester bauen könnten, werde es im Frühjahr auch wieder schön zwitschern. Dieser wohltuende Klang ist nämlich auch im wärmsten Dezember partout nicht zu hören.

(RP)
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