Goch Flüchtlingshilfe muss koordiniert werden

Goch · Monika Riße, Gocher Ansprechpartnerin für Flüchtlinge, plädiert für abgestimmte Hilfen. Vorhandene Strukturen müssen genutzt werden. Wer sich einbringen will, sollte sich mit Institutionen verzahnen. Dauerhafter Einsatz gefragt.

Goch: Flüchtlingshilfe muss koordiniert werden
Foto: EVErs

Die Gocher Stadtbücherei ist beliebt bei vielen Menschen. Dass die schon vor der offiziellen Öffnungszeit Schlange stehen, ist doch eher ungewöhnlich. Aber seit Monika Riße einen Raum der Bücherei als Büro nutzt (Sprechstunden mittwochs 10-12 und donnerstags 16-18 Uhr), ist dort richtig viel los: Zahlreiche Bürger möchten mit der neuen Ansprechpartnerin in Sachen Flüchtlinge sprechen. Vor allem wollen sie helfen - durch Spenden, aber auch durch andere Angebote.

Im Gespräch nutzt Monika Riße einen Begriff sehr häufig: "Strukturen". Genau die sind es nämlich, die jetzt ausgebaut oder, wo sie fehlen, neu geschaffen werden müssen. Den allein in Goch mehreren hundert Hilfesuchenden aus vielen Ländern nutzt es nach Überzeugung von Fachleuten nur wenig, wenn massenhaft Kleidung unkoordiniert gesammelt wird. Es müssen die richtigen Sachen sein, sie müssen vorsortiert und in vernünftigen Portionen an geeignete Empfänger ausgegeben werden.

Einige der Frauen, die seit Jahren ehrenamtlich die Kinderkleiderbörse von Maria Magdalena organisieren, sammeln jetzt auch vermehrt für die Flüchtlinge. Nicht immer sind es geeignete Sachen, die sie bekommen: reichlich Strampler, aber kaum Herrenschuhe oder Warmes für den nahen Winter.

Ein älterer Herr betritt Rißes Büro, weil er ein Klappbett zu verschenken hat, das die Enkel, wenn sie zu Besuch kommen, nicht mehr nutzen. Er bekommt einen Zettel in die Hand gedrückt mit den Kontaktdaten von "furniture & more", einer von sieben ehrenamtlich arbeitenden Gruppen des "Runden Tischs Flüchtlinge" in Goch. Denn die Menschen brauchen auch Möbel und Haushaltsbedarf.

Diese Menschen helfen Flüchtlingen
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Immer wieder werden Koffer angeboten. "Im Prinzip eine gute Idee", sagt Riße - für Menschen, deren Reise noch nicht zu Ende ist. Ebenso klar ist, dass Handtücher und Bettwäsche nötig sind, worum sich ebenfalls die Kleiderkammer der evangelischen Kirche kümmert. Monika Riße weiß noch von anderen Dingen, die gut ankommen: Papier, Malstifte und kleine Stofftiere für die Kinder. Ob Platz ist für Roller und Fahrräder können am besten die Betreuer vor Ort entscheiden. "So etwas weiß Hilde Fielenbach, die mit allen Flüchtlingen im Kontakt steht und durch langjährige Erfahrung genau einschätzen kann, was benötigt wird", sagt Riße. Das Gebot der Stunde: ehrenamtliches Engagement mit den professionellen Diensten der Stadt und mit den Angeboten der Verbände vernetzen.

Immer gefragt: Sprachkurse. Die gibt es unter anderem bei der VHS, aber auch in eher privatem Rahmen. Diakon Werner Kühle organisiert für Schüler Nachhilfe, die freie evangelische Gemeinde lädt ein zum Begegnungscafé. Möglichst viele Migranten-Kinder sollen in die Kita, denn dort lernen sie am schnellsten Deutsch. Ihre Mütter haben vielleicht schon am Radfahrtraining der Verkehrswacht teilgenommen.

Was ist was - Begriffe zum Thema Flüchtlingsunterkünfte
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Foto: dpa, rwe lof

Alle, die jetzt helfen möchten, bittet Riße, sich zu überlegen, wie viel Zeit sie investieren wollen. "Die Schwierigkeit ist, den Einsatz längerfristig durchzuhalten. Denn um die Angebote sinnvoll zu strukturieren, ist es wichtig, die Leute in Dienstpläne einordnen zu können. Überlegen Sie sich: Bin ich bereit, dauerhaft zwei Stunden in der Woche oder mehr für fremde Menschen aufzubringen?" Riße bringt ihren Gesprächspartnern noch etwas anderes in Erinnerung: "Schön, wenn jemand einer Asylbewerberin seinen Kinderwagen überlassen will. Aber ganz ehrlich: Es gibt vielleicht auch eine Nachbarin mit wenig Geld, die ebenfalls glücklich darüber wäre. Wir sollten nicht nur an eine Bevölkerungsgruppe denken, die im Moment im Fokus steht." Auch darauf haben Einrichtungen wie die Tafel, die Arche oder die Kleiderkammer ein Auge. Riße ist studierte Ethnologin und spricht Erkenntnisse aus, die auch Hilde Fielenbach teilt: "Wir glauben, die Bedürfnisse der Menschen zu kennen, überfrachten sie manchmal aber mit unseren eigenen Ideen." Was Deutsche für wichtig halten, ist nicht unbedingt das, was Leute aus fremden Ländern brauchen. "Vergessen wir doch nicht: Das sind mündige, oft durchaus clevere Leute, die sich auch selbst organisieren wollen."

(RP)
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