Goch Eine Reise in die Vergangenheit

Goch · Jerry Weltsch war in Goch auf den Spuren seiner jüdischen Familie

Anlässlich der Ausstellung "Flucht und Vertreibung jüdischer Bürger in Goch" besuchte Jerry Weltsch aus Los Altos, Kalifornien, die Stadt Goch. In der Ausstellung wird unter anderem das Leben der Vorfahren von Jerry Weltsch sowie die Flucht seiner Großeltern Otto und Ilse Hertz dargestellt. In der Reichspogromnacht wurde das seit 1863 in Familienbesitz befindliche Geschäft in der Mühlenstraße zerstört und geplündert.

Otto Hertz wurde verhaftet und nach Dachau deportiert. Sein bereits nach Cuba geflüchteter Bruder Paul besorgte ihm unverzüglich ein Visum. Nach dessen Ankunft fuhr die Haushälterin der Familie, Ilse Isaak, persönlich nach Dachau, um Otto mit Hilfe der Auswanderungspapiere schnellstens aus dem Konzentrationslager zu befreien. Drei Wochen nach seiner Verhaftung kehrte er krank und von den Strapazen gezeichnet nach Goch zurück. An Silvester machte Otto Hertz Ilse Isaak einen Heiratsantrag. Die Hochzeit fand Ende Januar in Goch statt.

Nachdem Otto von einem Freund eine Warnung bezüglich einer bevorstehenden erneuten Verhaftung erhielt, bestieg er drei Wochen nach seiner Hochzeit in Rotterdam ein Schiff Richtung Cuba. Ende Mai 1939 befand sich auch Ilse auf einem Schiff namens Orinoco, das sie nach Cuba zu ihrem Ehemann bringen sollte.

Auf der Höhe von Cherbourg wurde das Schiff nach Deutschland zurückbeordert. Cuba hatte einen Aufnahmestopp für Flüchtlinge verhängt. Vor der Rückkehr nach Hamburg spielten sich vor Cherbourg dramatische Szenen ab. Jüdische Passagiere sprangen aus Verzweiflung ins Wasser. Ilse musste zu ihrer Mutter nach Aschaffenburg zurückkehren.

Im März 1940 gelang ihr eine abenteuerliche Flucht, die über die Schweiz nach Italien und schließlich nach Chicago führte, wo sie ihren Ehemann Otto wieder traf. Später zog das Paar nach San Francisco. Sie hatten zwei Töchter und fünf Enkelkinder. Otto Hertz wurde 104 Jahre alt und verstarb 2008. Seine Frau Ilse verstarb 2007 im Alter von 90 Jahren.

Nach dem Besuch der Ausstellung besuchte Jerry Weltsch den jüdischen Friedhof an der Kalkarer Straße, auf dem zahlreiche Vorfahren bestattet wurden.

Im Anschluss daran machte er mit Ruth Warrener, Geschichtslehrerin an der Gesamtschule Mittelkreis, einen Rundgang durch Goch auf den Spuren jüdischen Lebens in den 30er-Jahren. Im Juni 2016 möchte Jerry Weltsch mit weiteren Familienmitgliedern zur Verlegung von Stolpersteinen für seine Familie zurückkehren.

(RP)
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