Goch Ein Puzzleteil der Weezer Geschichte

Goch · Bei Untersuchungen am Abgrabungsgebiet Knappheide haben Archäologen einen Brunnen aus der Eisenzeit freigelegt. Die Wissenschaftler sprechen von einer historischen Sensation. Denn auch Teile eines Gebäudes sind erhalten.

Goch: Ein Puzzleteil der Weezer Geschichte
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Im ersten Moment ist es nur ein Stück Holz, das da auf dem Schreibtisch von Teunesen-Projektmanager Jürger Tarter liegt. Doch wenn Dr. Martin Heinen das Teil in die Hand nimmt, wird daraus ein Zeitzeuge, der vorchristliche Geschichte aus Weeze lebendig werden lässt. Der Archäologe zeigt auf eine viereckige Aussparung im Holz. Für ihn ein Zeichen, dass dieses Stück ursprünglich von einem Gebäude stammen muss. "Und wenn Sie hier ganz genau hinsehen, können Sie schwarze Veränderungen erkennen: Das sind eindeutig Brandspuren", sagt der Wissenschaftler.

Für ihn reichen diese Details aus, um daraus folgende Szenerie aus der Eisenzeit in Weeze auszumalen: Etwa um 450 vor Christus ist da, wo heute an der Knappheide abgegraben wird, ein dichter Wald aus mächtigen Bäumen. Mühsam haben die Menschen einen Bereich freigeschlagen, um dort ihr Dorf zu errichten. Inselartig, nennt der Wissenschaftler die Siedlung mitten im Wald.

 In etwa zwei Meter Tiefe stießen die Wissenschaftler auf die Überreste des Brunnens.

In etwa zwei Meter Tiefe stießen die Wissenschaftler auf die Überreste des Brunnens.

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Die Menschen leben von Ackerbau, ihre Häuser sind aus Holz. Korn wird auf einem großen Mahlstein aus Mayener Basalt gemahlen. Auch den haben die Wissenschaftler in der Knappheide gefunden. Er muss über eine große Strecke an den Niederrhein transportiert worden sein. Irgendwann sucht eine Katastrophe die Dorfidylle im Weezer Wald heim: Die Siedlung geht in Flammen auf. Da ist vieles denkbar: ein Feuer, das außer Kontrolle geraten ist, ein Blitzeinschlag oder der Angriff eines verfeindeten Stammes. Auf jeden Fall bauen die Ur-Weezer ihr Dorf wieder auf und verwenden die angebrannten Balken ebenfalls wieder: Daraus bauen sie einen etwa zwei Meter tiefen Brunnen.

Und genau der war es nun, der die Wissenschaftler auf diese eisenzeitliche Dorfgeschichte brachte. Bei Abgrabungen ist es nämlich vorgeschrieben, dass Archäologen vorher das Gelände auf Spuren der Vergangenheit untersuchen.

 Historische Kleinarbeit: Das Team untersuchte die Fundstelle ganz genau.

Historische Kleinarbeit: Das Team untersuchte die Fundstelle ganz genau.

Foto: Artemus GmbH

Dr. Heinen und sein Team von der Artemus GmbH waren seit 2010 dreimal auf dem 27 Hektar großen Gelände im Einsatz. Die spektakulärste Entdeckung ist der Brunnen.

Da die Archäologen dort auch noch eine Keramikscherbe fanden, konnte Heinen das historische Zeit-Puzzle zusammenfügen. Zusammen mit der Einschätzung des Alters des Holzbrunnens ist Heinen sicher, den Fund auf 50 Jahre genau eingrenzen zu können. Etwa um 450 vor Christus muss der Brunnen gestanden haben.

 Dr. Martin Heinen mit dem Holzstück, das Teil des Brunnens war. Auch das Teil auf dem Foto links wurde in Weeze gefunden.

Dr. Martin Heinen mit dem Holzstück, das Teil des Brunnens war. Auch das Teil auf dem Foto links wurde in Weeze gefunden.

Foto: Artemis gMBH/ Latzel

Der Fund ist aus Sicht des Wissenschaftlers eine echte Sensation. Seiner Kenntnis nach ist es nämlich das erste Mal, dass ein Holzstück eines Gebäudes aus der Eisenzeit gefunden wurde. Er hat bereits Kontakt zum Landesmuseum in Bonn aufgenommen. Dort wird das Stück demnächst noch einmal genau untersucht werden. Es sei aber durchaus möglich, dass dieses bedeutende Teil Weezer Geschichte an den Niederrhein zurückkehrt und dort vielleicht in einem Museum der Öffentlichkeit präsentiert wird.

Noch etwa zwei Wochen werden die Wissenschaftler auf dem Gelände im Einsatz sein. Für Heinen hat sich die Arbeit auf jeden Fall gelohnt: 12.000 Fundstücke stehen auf seiner Liste. Und diese zeigt ihm auch ein anderes Detail aus dem Alltag der Eisenzeit. "Unter allen Fundstücken war nur ein einziges kleines Teil aus Eisen. Das ist der Beleg, wie wertvoll das war. Alles wurde damals wiederverwertet. Das kleine Stück haben die Bewohner wohl damals übersehen, als sie weiterzogen."

(RP)
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