Goch Benimm-Regeln für die tollen Tage

Goch · Ein Moral-Kodex für den Karneval - der gilt für alle, muss aber vielleicht Menschen aus anderen Kulturkreisen erst erläutert werden. In der Gocher Notunterkunft wird Flüchtlingen auch ein Alternativprogramm mit Bingo geboten.

 Diese Regeln und Gesetze gelten immer, werden im Karneval aber schon mal gerne ignoriert.

Diese Regeln und Gesetze gelten immer, werden im Karneval aber schon mal gerne ignoriert.

Foto: Gottfried Evers

Im Karneval gibt es einiges, was missverstanden werden könnte: Kostüme, die an Uniformen erinnern, Spielzeugwaffen, die zumindest auf Laien ganz schön erschreckend wirken, Masken, hinter denen man sich verstecken kann, freizügige Kleidung, die in Büros, Kaufhäusern und Arztpraxen so nicht zu sehen ist. Was Einheimische mit dem Wissen, dass im Karneval manches anders ist, großzügig übersehen, kann auf Menschen aus anderen Kulturkreisen sehr befremdlich wirken. Insbesondere mit Blick auf Flüchtlinge aus fremden Ländern haben die Verantwortlichen pünktlich zu den tollen Tagen in den Unterkünften Info-Blätter ausgehängt.

In Goch zum Beispiel wird den Bewohnern der Notunterkunft des Landes in der ehemaligen Tennishalle von den Maltesern erklärt, was Karneval eigentlich ist. "Wir haben in alle Städte, von denen bekannt ist, dass dort Karneval gefeiert wird, Info-Material geschickt", sagt Malteser-Pressesprecher Klaus Walraf. In manchen Heimen würden Flyer verteilt, andere hingen Schilder oder Plakate auf. So ist es auch in der Gocher Tennishalle. Dort hängt offensichtlich alles, was zum Thema zu bekommen war. Und was keinesfalls nur an den tollen Tagen gilt: Aufrufe zum Respekt etwa, zur Gleichberechtigung von Mann und Frau, zu Privatsphäre und Unverletzlichkeit der Wohnung.

Einrichtungsleiterin Nina Lanzerath erklärt: "Wir haben Blätter ausgelegt und persönliche Gespräche geführt, außerdem eine Vollversammlung abgehalten. Allen, die sich lieber nicht auf den Karneval einlassen, wollen, bieten wir ein Alternativprogramm: Sie können mit uns Bingo spielen, Musik hören, Pokern und Waffeln backen." Für die Jüngsten gibt es dazu noch ein karnevalistisches Einsteigerprogramm: "Mit ihnen fahren wir am Karnevalsdienstag zum Kinderkarneval nach Uedem." Nicht nur in der Unterkunft, die als Notquartier des Landes geführt wird, können Menschen, die nie zuvor mit der Narretei in Berührung kommen, etwas über rheinische Brauchtumspflege lernen. "Auch die Stadt Goch hat in allen Flüchtlingsunterkünften, für die sie zuständig ist, Infos ausgehängt", sagt Pressesprecher Torsten Matenaers. Wer neu in Goch oder sogar in Europa ist, erfährt Folgendes: "Die Karnevalstage werden in unserer Stadt besonders ausgelassen gefeiert", was "ein Ausdruck der niederrheinischen Lebensart" sei. Die Karnevalszeit dauere noch bis zum 10. Februar, bis dahin gebe es einiges zu beachten. Jeder könne mitfeiern, Alt und Jung, Männer, Frauen und Kinder, Gocher und Besucher aus aller Welt. Zu beachten: "Karnevalisten grüßen sich mit dem Wort ,Helau'."

Lautes Singen und Tanzen gehöre ebenso zum Karneval wie (für viele) der Alkohol. Man sehe verkleidete Menschen, die sich etwa als Clown, Astronaut, Prinzessin, Pirat oder Fee verkleideten. Wenn jemand sich als "Beduine" zeige, sei das keine Beleidigung, derjenige wolle eben mal eine andere Rolle spielen.

Nach den Vorfällen an Silvester in Köln halten die Verantwortlichen für wichtig, gerade die gelockerten karnevalistischen Bekleidungsregeln zu "übersetzen". Viele junge Frauen zögen sich an den Karnevalstagen sehr freizügig an. "Kurze Röcke und tiefe Ausschnitte geben jedoch keinem Mann das Recht, diese Frauen ohne deren Einverständnis zu berühren." Die allgemeinen Regeln des Anstands und auch die deutschen Gesetze gelten auch im Karneval.

Damit diese Zeilen möglichst jeder lesen kann, sind die Erläuterungen des städtischen Ordnungsamts in deutsch, englisch und arabisch verfasst. Unterschrieben ist jeweils mit "Goch Helau", und bunte Fotos vom Straßenkarneval mit dem Turm der Maria-Magdalena-Kirche im Hintergrund lassen das "amtliche Schreiben" etwas freundlicher rüberkommen.

(RP)
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