Geldern Zwischen den Grenzen

Geldern · Seit Montag bereist eine deutsch-niederländische Theatergruppe die Region. Die Teilnehmer fragen: "Wo ist zu Hause, und wie komme ich dahin?" Am Samstag präsentieren sie ihre Antwort im Theater im Fluss in Kleve.

 Die Gruppe im Gespräch mit Johannes Hagemann. Dem Unternehmer gehört ein Reisebüro, das mitten auf der deutsch-niederländischen Grenze steht.

Die Gruppe im Gespräch mit Johannes Hagemann. Dem Unternehmer gehört ein Reisebüro, das mitten auf der deutsch-niederländischen Grenze steht.

Foto: Evers

Montagnachmittag, 14 Uhr, Hauptstraße 67 in Wyler, unmittelbar an der niederländischen Grenze: Der nächste, der das Reisebüro Hagemann betreten wird, muss den jungen Künstlern eine Antwort auf die Frage geben: "Wo ist zu Hause, und wie komme ich dahin?" Wie der Zufall es will, steht kurz darauf der Eigentümer Johannes Hagemann in der Tür. Sein Fazit nach dem Gespräch draußen am alten Grenzübergang: Zu Hause, das sei ein Stück Heimat, und das könne auch ein grenzübergreifender Ort sein.

Ein Ansatz, der die Teilnehmer des Theaterprojekts "Boundless" nachdenklich zurücklässt - und das gerade in einem Reisebüro. Dort, wo Menschen vor dem Zuhause sonst fliehen. Und das zudem mitten auf der Grenze zweier europäischer Staaten. Doch genau diese Erfahrungen will "Boundless" provozieren.

Das Projekt ist eine Kooperation des Klever Theaters im Fluss und dem niederländischen Theaterschip aus Deventer. 16 Teilnehmer im Alter von 16 bis 25 Jahren machten sich eine Woche lang auf eine Reise durch Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen und die Niederlande. In vier Gruppen und unter Anleitung von Theaterpädagogen werden sie Orte besuchen, die einen Bezug zum Thema Heimat haben, unter anderem den Braunkohle-Tagebau in Garzweiler und den Duisburger Stadtteil Marxloh. Dabei steht die Frage "Wo ist zu Hause, und wie komme ich dahin?" immer im Vordergrund der Reise.

Pro Gruppe wird jeweils ein Teilnehmer die Erlebnisse filmen. Die Begegnungen mit den Menschen und ihren Geschichten, der Kontakt mit dem Fremden - all das soll später als Inspiration dienen für eine multimediale Performance aus Theater, Tanz und Film. "Dass Jugendliche nach der Schule dort bleiben, wo sie aufgewachsen sind, wird immer mehr zur Ausnahme. Die jungen Teilnehmer sollen in dem Projekt herausfinden, was Heimat heute eigentlich noch ausmacht", sagt Björn Nienhuys, Filmemacher aus Kleve. Am kommenden Samstag wird die Gruppe das Erlebte erst in Deventer und am Abend in Kleve künstlerisch umsetzen.

Das Reisebüro in Wyler war bewusst gewählt. "Wir wollen den Teilnehmern hier eine Grenzsituation näher bringen. An einem Ort, wo Deutsche und Niederländer sich täglich begegnen", sagt die Filmstudentin Júlia Kühne Escolà. Sie führt drei Teilnehmer zusammen mit der Niederländerin Laila Joosting Bunk durch Wyler. Zur selben Zeit besucht Nienhuys mit seiner Gruppe eine Werft in Papenburg und eine Kathedrale im niederländischen Mildam, die der Architekt Louis le Roy nur aus nachhaltigen Materialien bauen ließ. "Jede Kleingruppe wird auf eine unterschiedliche Route geschickt. Kurz bevor es an die Vorbereitungen zur gemeinsamen Aufführung geht, werden die Teilnehmer sich das Erlebte mit dem gesammelten Material gegenseitig präsentieren", sagt Nienhuys.

Wie genau das fertige Theaterstück am Ende aussehen wird, dafür machen die Pädagogen und Leiter der Gruppen nur wenige Vorgaben. "Das wird sicherlich keine Geschichte, die einen roten Faden verfolgt. Stattdessen werden die Teilnehmer ihre Erfahrungen und Eindrücke präsentieren", sagt Nienhuys. Bereits während der Reise durch die Grenzregion zeigen sich die Organisatoren zufrieden: Das Projekt ist ein Erfolg - auch für die Teilnehmer selbst. Nienhuys weiter: "Es sind viele dabei, die vorher noch gar keine Theatererfahrung hatten. Der Austausch untereinander, auch mit den niederländischen Nachbarn, kommt sehr gut an."

Das bestätigen auch die jungen Künstler. Der 18-jährige Janis Krebbers steht bereits seit fünf Jahren im Theater im Fluss auf der Bühne. Für ihn ist das Projekt eine Chance: "Ich habe Orte gesehen, von denen ich nicht mal dachte, dass es sie gibt". Seine persönliche Definition von Heimat hat er bereits gefunden. "Für mich ist das kein Ort und kein Land. Erst wenn die richtigen Menschen um mich rum sind, kann ich sagen: Ich fühle mich zu Hause".

Die Teilnehmer werden "Boundless" am Samstag, 28. Oktober, um 20.30 Uhr im Theater im Fluss in Kleve aufführen.Der Eintritt ist frei.

(RP)
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