Geldern Zurück nach einem Jahr Chile - und was jetzt?!

Geldern · In den zurückliegenden Monaten hat die RP Svenja Peters bei ihrem Friedensdienst in Südamerika begleitet. Nun muss die 19-Jährige zurückfinden in den "typisch-deutschen" Alltag. Sie erzählt über chilenischen Humor und einen Raubüberfall.

 Svenja Peters ist mit der halben Seele noch in Chile. Hier bahnt sie sich aber nicht den Weg durch eine Wildnis, sondern trägt ihren Trekking-Rucksack zu Hause die Treppe hoch.

Svenja Peters ist mit der halben Seele noch in Chile. Hier bahnt sie sich aber nicht den Weg durch eine Wildnis, sondern trägt ihren Trekking-Rucksack zu Hause die Treppe hoch.

Foto: Thomas Binn

Noch spürt sie Südamerika ganz nah, hautnah sozusagen. "Der Pulli ist aus dem Peru-Urlaub", sagt Svenja Peters. Die Ohrringe von einem Straßenverkäufer. Umgerechnet haben die 1,25 Euro gekostet, und sie sind natürlich handgemacht. Der Kopf ist voller Erinnerungen. "Ich war an einem Strand, der hatte rosa Sand, den habe ich mir mitgenommen. Ich habe Vulkane gesehen in dem Jahr, ich war surfen", erzählt die 19-Jährige.

Elfeinhalb Monate lang war die Weezerin in Chile, hat für die Evangelische Kirche im Rheinland einen Freiwilligen Friedensdienst in Südamerika geleistet. "Ich habe jetzt nichts Großes verändert in dem Jahr, aber es waren viele kleine Momente, die meine letzten Tage versüßt haben", sagt Svenja. Sie hat in einem Obdachlosenheim gearbeitet. Leicht ist ihr der Abschied nicht gefallen. "Am letzten Tag war ich wie ein Zombie, ich habe nichts mehr gefühlt", sagt sie. "Es war wie im Zug sitzen, und alles zieht an einem vorbei."

Warum ihr das Ende so schwer gefallen ist? "Man hat sich dort auch ein kleines Leben aufgebaut, was man nicht zurück bekommen kann", erklärt die Rückkehrerin. "Ich werde nie wieder in dem gleichen Haus leben und die gleiche Arbeit haben."

Obwohl, es hat auch diese Tage, besser gesagt, Nächte gegeben, in denen sie sich nach Hause gesehnt hat. "Da lag ich im Bett, habe an die schlecht gestrichene Decke geschaut und Haus und Grün in Deutschland vermisst", erzählt sie.

Heimweh und auch der Gedanke: "Wieso habe ich das überhaupt gemacht?" kamen aber erst nach einem Dreivierteljahr auf. Vorher war alles viel zu neu und aufregend. Gleich im ersten Monat zum Beispiel wurde sie gemeinsam mit ihrem Mitbewohner ausgeraubt, als sie Plakate aufhängen wollten. "Ich hatte aber keine Angst. Ich wusste, der will nur das Handy", erzählt Svenja ganz ruhig die Begebenheit mit einem Drogenabhängigen, der mit einem Revolver vor ihr stand. Das Mobiltelefon hat sie übrigens wiederbekommen. In dem Viertel sprach sich nämlich rum, dass sie zur Polizei gehen wollte, um den Überfall der Versicherung wegen zu melden. Alle hatten Angst, dass die Polizei ins Viertel kommen könnte. Weil alle irgendwie mit Drogen zu tun hatten, gaben sie lieber die geklauten Handys zurück. "Die wollten keine Probleme haben."

Die Kriminalität habe sie nie so empfunden, denn da war noch etwas anderes. "Die Menschen sind so herzlich", beschreibt es Svenja. Selbst wenn man sich nicht kennt, ein Küsschen auf die Wange gibt es trotzdem. Wenn man sich besser kennt, kommt In-den-Arm-nehmen dazu. "Ich konnte überhaupt kein Spanisch", sagt Svenja und lächelt. "Aber die haben das geduldig alles ertragen und nicht viel korrigiert." Sogar Witze erzählen auf Spanisch klappte. "Wir hatten einen Ausländerbonus", sagt Svenja. Und Deutsche sind in Chile besonders beliebt, weil deutsche Einwanderer vor vielen Jahren so tolle Sachen wie "Kuchen", "Berliners" und "Strudel" mitgebracht haben. Die Sachen heißen heute immer noch so.

Svenja hingegen fehlen die "Empanadas", die gefüllten Teigtaschen, die es frittiert an jeder Straßenecke zu kaufen gibt. Und, ja, sie habe die ganze Zeit das Bedürfnis, Spanisch zu sprechen. Von der Mentalität, die sie kennen gelernt hat, hat sie sich auch was abgeschaut. "Das Relaxt-Sein habe ich von der chilenischen Kultur übernommen", sagt die 19-Jährige. "Es geht auch entspannter." Manchmal sehr zum Leidwesen ihrer deutschen Freunde. "Jetzt komme ich auch mal zu spät."

Ein bisschen möchte sie den eingeschlagenen Weg weitergehen, nicht das mit dem Zuspätkommen, aber das mit den fremden Kulturen. Sie beginnt in Nimwegen ein Studium der kulturellen Anthropologie und entwicklungssoziologische Studien. Damit könne sie später in der Entwicklungshilfe, aber auch für die Polizei arbeiten. "Die brauchen Leute, die sich in andere Kulturen reindenken können."

Aber erst einmal überdenkt Svenja, was ihr das Jahr gebracht hat. Der Freiwillige Friedensdienst ist für sie nach elfeinhalb Monaten nicht zu Ende. "Man kann auch hier friedlich und freundlich sein und jemandem ein Lächeln ins Gesicht zaubern", sagt sie. Und im Zweifel hilft dabei ein guter, spanischer Witz.

(RP)
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