Geldern Wo die Zeitung in der Kunst auftaucht

Geldern · Almyra Weigel, Katrin Roeber und Burhan Muhammad sind die drei Teilnehmer des 17. Turmstipendiums im Gelderner Wasserturm. RP-Ausgaben verwandeln sich in Informationsröhren. Ausstellung der Werke im September.

 Die Stipendiaten im Vordergrund verdeutlichen, in welchem künstlerischen Bereich sie in den nächsten Wochen tätig sein werden.

Die Stipendiaten im Vordergrund verdeutlichen, in welchem künstlerischen Bereich sie in den nächsten Wochen tätig sein werden.

Foto: Gerhard Seybert

Peter Busch, der Vorsitzende des Vereins Kuhnst-Turm Niederrhein und "Hausherr" des Wasserturms, sprach scherzhaft von einer "Thorarolle". Meter über Meter sind alte Ausgaben der Rheinischen Post zusammengefügt, stabilisiert durch dahinter geleimte Raufasertapeten. Sie sind Rohmaterial für die Installation, die Almyra Weigel im zweiten Obergeschoss des Turms aufbaut. Ein System von Informationsröhren will sie entstehen lassen.

Die Frau aus der litauischen Stadt Kaunas ist eine der drei Teilnehmer des 17. Turmstipendiums. Am 8. August hat für das Trio die Arbeitsphase begonnen. Außer der 52-jährigen Litauerin sind Katrin Roeber und Burhan Muhammad dabei, ihre kreativen Pläne umzusetzen.

Bei Almyra Weigel dauerte es eine Woche, bis sie die zündende Idee hatte. "Ich muss mich erst an den Ort gewöhnen und meine Gedanken sortieren", erklärt sie, die noch nie räumlich gearbeitet hatte. Sie erinnerte sich daran, wie ihre Oma früher Fäden um eine Zeitung wickelte und so ein Wollknäuel erreichte. Die Verbindung von Geschichte, Zeit und dem (roten) Faden fand sie interessant. Jetzt will sie die Verbindung zwischen Geldern, dem Wasserturm und der Zeitung herstellen. Da sowohl Wasser als auch Informationen fließen, versieht sie den Turm mit Rohren, die sie aus den Zeitungs-Raufaser-Metern formt. Lob zollt sie Busch. "Er ermutigt uns, mahnt dabei aber auch zur Ruhe."

Aus Düsseldorf kommt Katrin Roeber und logiert jetzt für einige Wochen in dem alten Eisenbahnwaggon neben dem Wasserturm. "Eine Bekannte zeigte mir Fotos von einem früheren Turmstipendium, und da dachte ich mir: Hier will ich auch hin." Sie male sehr gerne draußen, sagt die 45-Jährige. Insgesamt elf runde Bilder will sie in das erste Stockwerk hängen. Rund deshalb, weil es zur Form des Turms passt.

Sie kombiniert Acryl- und Ölfarbe in mehreren Schichten übereinander. Die Motivanregungen holt sie sich durch Spaziergänge in die Umgebung des Wasserturms. Landschaften und Gegenstände erscheinen auf den Bildern, zum Beispiel Wegemarken, Verbotsschilder und ein Schraubenschlüssel. Farbexplosionen fast tropischer Art hat die Düsseldorferin auf die Leinwand gebannt - zu ihrer eigenen Überraschung. "Eigentlich verbinde ich mit dem Niederrhein eher kalte Töne."

Aus seiner Heimatstadt Damaskus musste Burhan Muhammad fliehen, seit einem Jahr lebt der Syrer in Geldern. Aus Holz schafft der Künstler für das Turmstipendium symbolische Skulpturen. Flucht und Flüchtlings-Dasein sind seine Themen, doch die möchte er nicht in hässliche Bilder kleiden. "Ich nutze Fenster", sagt der 43-Jährige. Die seien neutral, sogar etwas Schönes. "Man kann von beiden Seiten hindurchgucken, und man kann wählen, was man sieht."

Der Krieg in Syrien ende irgendwann, glaubt Muhammad. "Jeder ist erschöpft." Doch für ihn und sein Land werde danach lange keine Zeit für Kunst sein. Erst einmal sei viel wieder aufzubauen.

Die Vertreter der Sponsoren hoben die Bedeutung des Turmstipendiums hervor. "Das ist eine besondere Erfahrung für die Künstler an einem fantastischen Ort", erklärte Stadtwerke-Chefin Jennifer Strücker. Sparkassen-Direktor Jakob Janßen nannte die Veranstaltung als einen Grund dafür, dass Geldern durch Kunst und Kultur seit Jahren einen guten Klang habe. Achim Ingenillem blickte auf die anfänglichen politischen Diskussionen um das Stipendium zurück, das mittlerweile aber einvernehmliche Unterstützung erfahre. "Kunst ohne Geld ist schwierig", betonte Janßen. Alle drei Sponsoren versicherten, wie gerne sie diese Sache förderten.

(RP)
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