Wachtendonk Wieder Schritt-Tempo in Wachtendonk?

Wachtendonk · Die Bewohner des historischen Ortskerns sind unzufrieden mit der seit Jahresbeginn geltenden Tempo-20-Regelung. Eine Liste mit mehr als 120 Unterschriften bei der Gemeindeverwaltung eingereicht. Die hat jetzt den Kreis eingeschaltet.

 Eng wird es für Carolin Ernst im Ortskern immer wieder, wie hier auf der Bruchstraße.

Eng wird es für Carolin Ernst im Ortskern immer wieder, wie hier auf der Bruchstraße.

Foto: gerhard Seybert

Carolin Ernst und Martin Kaiser wohnen mit ihren zwei kleinen Kindern auf dem Wall. Mitten im historischen Ortskern von Wachtendonk also. Mit der Verkehrssituation dort sind die jungen Eltern alles andere als zufrieden. Einige Wochen lang haben sie sich die neue Tempo-20-Regelung angesehen. Sie kommen "nun zu dem Schluss, dass die Änderung der Höchstgeschwindigkeit und die damit zusammenhängenden Regelungen eine Fehlentscheidung war und immer noch ist".

Sie drängen darauf, den alten Zustand, das heißt: Schrittgeschwindigkeit, wieder herzustellen. Und mit ihnen mehr als 120 weitere Bewohner des Ortskerns, die sich auf einer Unterschriftenliste dem Ansinnen angeschlossen haben. Falls hierbei die Parkscheibenregelung hinderlich sei, so solle darauf verzichtet werden.

 Viele Kinder wohnen auch im Bereich der Kirchstraße. Nicht immer nehmen Autofahrer Rücksicht.

Viele Kinder wohnen auch im Bereich der Kirchstraße. Nicht immer nehmen Autofahrer Rücksicht.

Foto: Seybert Gerhard

In einem vierseitigen Schreiben an Bürgermeister Hans-Josef Aengenendt, ergänzt durch einen mehrseitigen Fotoanhang, erklären Carolin Ernst und Martin Kaiser haarklein, wo was im Argen liegt. Die Geschwindigkeit von 20 km/h werde nicht eingehalten, es werde schneller gefahren. "Insbesondere um den Kindergarten und um das Bürgerhaus herum wird die Fahrbahn zu den Stoßzeiten wie Bring- und Abholzeiten im Kindergarten oder bei den Probestunden verschiedener Vereine regelrecht als ,Autobahn' genutzt. Hier sollten sich besser keine Passanten auf der Fahrbahn befinden." In den schmalen Straßen um die Kirche herum, am Endepoel und auch am Mühlenwall, sei Tempo 20 lebensgefährlich. Und viele weitere Beispiele werden genannt.

Fuß- und Gehwege seien oft nicht vorhanden und/oder werden als Fahrbahn benutzt und oder sind als solche nicht nutzbar. Auf Endepoel und Kirchgasse etwa gehe das Straßenpflaster komplett bis an die Hausfassaden durch, ohne Abgrenzungen. Fußwege werden teilweise als zu schmal beurteilt. Hinzu kommen Tische und Stühle von Gaststätten auf Wein- und Bruchstrraße, die kein Durchkommen ermöglichen und ein Ausweichen auf die Fahrbahn erzwingen.

Es werde von den Autofahrern keine Rücksicht genommen. Es sei kein Miteinander mehr auf der Straße, sondern der Autofahrer sehe sich klar im Vorrang. Carolin Ernst musste sich Aussagen von Autofahrern wie "Hier ist doch keine Spielstraße mehr, da müsst ihr auf den Gehweg gehen" anhören, als sie auf zu hohes Tempo hingewiesen hatte. Autos parkten an unüblichen Stellen und behinderten damit die Einsicht in den Straßenverkehr. Es würden die Flächen beparkt, die wohl ursprünglich für "Zwei-Minuten- Brötchenholparker" oder auch "Zwei-Minuten-Apothekenparker" oder ähnlich gedacht waren.

Und der Lärm habe zugenommen. "Durch die erhöhte Fahrgeschwindigkeit sind, bedingt durch das vorhandene Kopfsteinpflaster, die Fahrgeräusche der Autos merklich lauter geworden." Dies werde den Anwohnern in den kommenden Monaten immer weiter auffallen, je wärmer es wird und dann die Fenster öfter und länger geöffnet sind. "Man hat teilweise das Gefühl, dass die Autos direkt durch das eigene Wohnzimmer fahren."

Die beschriebenen Missstände werden nach Ansicht der Anwohnerin nur zum kleineren Teil durch die Erhöhung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit verursacht. Zu den Missständen gehören auch keine "Fünf-Minuten Parker", die kurz in die Apotheke oder Brötchen holen gehen, Blumen kaufen oder bei Lotto-Totto kurz reinspringen. "Diese kurzen Einkäufe machen den Ortskern mit seinen kleinen Läden doch aus, die es glücklicherweise noch gibt."

Im Wesentlichen sei auf viele Vorteile des verkehrsberuhigten Bereichs, der sich seit vielen Jahren im Ortskern bewährt hat, verzichtet worden, insbesondere im Hinblick auf die Verkehrssicherheit von Passanten.

Die Gemeindeverwaltung hat das Anliegen an die Kreisverwaltung weitergeleitet. "Sie hatte uns ja auf die Rechtswidrigkeit von Parkraumbewirtschaftung im verkehrsberuhigten Bereich hingewiesen", nennt Bürgermeister Aengenendt einen Grund für die Einführung von Tempo 20. Die Auswirkungen der am 23. März vom Gemeinderat beschlossenen Sondernutzungssatzung für Außenbestuhlung will die Gemeinde ein Jahr lang beobachten und danach neu beraten. Parksituation und Verkehrsfluss seien Themen auch für die Zukunftswerkstatt.

Im Mai ist laut Aengenendt an den Ausfallstraßen des historischen Ortskerns eine Verkehrszählung geplant. "Dann haben wir konkretes Material, wie die Straßen tatsächlich genutzt werden, nicht nur subjektives Empfinden." Und nur aufgrund von Zahlen entscheide der Kreis Kleve, ob aus Tempo 20 wieder Schrittgeschwindigkeit wird.

(RP)
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