Straelen Von der Müritz an den Niederrhein

Straelen · Anja Kootz ist neu als "Translator in Residence" in Straelen. Die Liebe zur Sprache begleitet sie schon ihr ganzes Leben lang. Übersetzerin ist sie aber erst seit 2011. Aktuell arbeitet sie an zwei Graphic Novels.

 Die aktuellen Übersetzungprojekte von Anja Kootz befassen sich mit Jean-Paul Sartre und Edward Snowden.

Die aktuellen Übersetzungprojekte von Anja Kootz befassen sich mit Jean-Paul Sartre und Edward Snowden.

Foto: gerhard seybert

"Sartre" steht auf dem Buch, das Anja Kootz in den Händen hält. Wer aber viele Buchstaben Schwarz auf Weiß erwartet, der wird sich wundern oder enttäuscht sein. Hinter dem Titel verbirgt sich kein langer Aufsatz des französischen Philosophen, sondern eine Graphic Novel. Die Geschichte von Jean-Paul Sartre wird als Bildergeschichte erzählt. Es ähnelt einem Comic, ist nur aufwendiger gezeichnet. Anja Kootz übersetzt das Buch von Mathilde Ramadier und Anaïs Depommier aus dem Französischen ins Deutsche.

Auf dem Tisch liegt ein weiteres Buch. "Snowden" von Ted Rall, ebenfalls eine Graphic Novel. "Ziemlich aktuell", sagt Kootz. "Das Buch verbindet biografische Details von Edward Snowden mit den Enthüllungen." Außerdem wird in den Zeichnungen und Texten beschrieben, welche Konsequenzen die Enthüllungen für die amerikanische Gesellschaft haben und für Snowden persönlich. Kootz übersetzt das Buch aus dem Amerikanischen ins Deutsche. Drei Monate hat sie Zeit, als "Translator in Residence" die Kleinstadtruhe Straelens zu genießen und von der weitläufigen Bibliothek des Europäischen Übersetzerkollegiums (EÜK) zu profitieren.

Zu Hause ist die 37-Jährige eigentlich in Waren an der Müritz. Die Müritz ist der größte Binnensee Deutschlands und Teil der Mecklenburgischen Seenplatte. Dahin ist sie zurückgekehrt nach einer kleinen, persönlichen Welttournee. Vom Studium an der Humboldt-Universität in Berlin ging Anja Kootz ein Jahr nach New York. Es folgte ein Zwischenstopp in Berlin und vier Jahre Paris.

"Mein Gedanke war, mein Französisch auf Vordermann zu bringen", blickt Kootz zurück. Und ganz nebenbei wollte sie in der Metropole an der Seine eine Dissertation schreiben.

Aus der ist nichts geworden, dafür ist sie vier Jahre in Paris geblieben. Die meiste Zeit im Herzen der Stadt, nicht in irgendwelchen Vororten. "Es ist eng, auf dem Bürgersteig, in der Metro, in der eigenen Wohnung", erinnert sich Kootz an ihre Pariser Jahre. "Das alltägliche Leben ist nicht so romantisch, wie man es sich vorstellt. Der Umgang ist eher rau", sagt die Übersetzerin. "Gleichzeitig ist Paris eine zauberhaft schöne Stadt. Sie hat eine unglaubliche Ästhetik." Beim Streifzug durch Bibliotheken und Buchhandlungen stieß sie auf jede Menge spannenden französischen Lesestoff. "Für den deutschen Buchhandel werden nur sieben Prozent aus Frankreich übersetzt", sagt Kootz. "Es gibt also eine riesige Menge mehr."

Die Initialzündung für ihre berufliche Laufbahn als Übersetzerin brachte die Teilnahme am Georges-Arthur-Goldschmidt-Programm für deutsch-französische Literaturübersetzer. Kootz nennt es ein zehnwöchiges "Rundum-sorglos-Paket", bei dem zehn Übersetzer umfangreiche Textwerkstätten besuchen können und auch Verlagen einen Besuch abstatten. Ab da startete Kootz ihren Weg als Übersetzerin für französische und englische Texte.

Den Arbeitsalltag eines Übersetzers beschreibt sie eher als puristisch. "Übersetzen ist ja doch eine sehr einsame Tätigkeit", sagt Kootz. Mehr als das Buch, den Computer und den Übersetzer braucht es nicht. Als Ausgleich arbeitet sie stundenweise in einem kleinen Buchladen in ihrem Heimatort Waren an der Müritz. "Im Buchladen komme ich unter Menschen und trotzdem unter Bücher", sagt sie und lächelt.

In Straelen ist es noch einmal anders. Im EÜK kann Kootz übersetzen und ihresgleichen treffen. Es sind immer einige Übersetzer zur gleichen Zeit dort. "Diese Gemeinschaft ist toll. Einerseits ist Straelen eine Kleinstadt, aber im EÜK hat man das Gefühl, man begegnet der ganzen Welt. Das finde ich so charmant."

(RP)
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