Straelen Viel Theater und der Schrecken Brexit

Straelen · Penny Black aus London ist für drei Monate "Translator in Residence" im Straelener Übersetzer-Kollegium. Sie erzählt über Literaturnobelpreisträgerin Elfriede Jelinek und den Schock über das Referendum zum Ausstieg aus der EU.

 Penny Black arbeitet während ihre Aufenthalts im Europäischen Übersetzer-Kollegium an zwei Projekten.

Penny Black arbeitet während ihre Aufenthalts im Europäischen Übersetzer-Kollegium an zwei Projekten.

Foto: Seybert

Das Theater hat Penny Black schon früh gepackt. "Meine Familie stammt aus Stratford-upon-Avon. Das ist der Geburtsort Shakespeares", sagt sie wie zum Verständnis und zuckt mit den Schultern. Von Kindesbeinen an war sie immer im Theater. Aktuell ist die Londonerin als "Translator in Residence" im Europäischen Übersetzerkollegium (EÜK) in Straelen. Um Deutsch zu lernen, ging sie mit Anfang 20 nach Österreich. Darüber muss sie lächeln. Um noch besser Deutsch zu lernen, besuchte sie die dortige Schauspielschule Krauss.

Wen wundert's, dass sie mit diesem österreichischen Hintergrund auf Stücke von Elfriede Jelinek traf? Die Übersetzung eines ihrer Stücke brachte sie zum ersten Mal nach Straelen, ins EÜK in der Kuhstraße. "Diese Kompliziertheit der Wörter ist unmöglich auf dem Papier, aber auf der Bühne funktioniert das halt", sagt sie fasziniert und spricht von einem echten Knochenjob für die Übersetzer dieser Stücke. In ihren Worten schwingt aber auch viel Bewunderung mit. "Die Frau ist so klug, sie weiß genau, was sie will. Sie hat eine Art zu schreiben, das ist erstaunlich. Ich finde sie genial, wirklich genial, aber schwierig." Eine weitere Grande Dame kreuzte arbeitsmäßig ihren Weg. Black übersetzte die Biografie über Pina Bausch, die Marion Meyer schrieb. "Warmherzig und klarsichtig", beschreibt sie das Werk. "So war die Frau, so hat sie gearbeitet."

Das Theater, es lässt sie nicht los und zeigt sich in ihrer Arbeit von vielen Seiten. Es sei der Mode unterworfen, sagt die Übersetzerin. Das Weltgeschehen spielt dabei eine nicht unwesentliche Rolle. Als sie damals anfing, das war 1991, 1992, kurz nach dem Mauerfall und der Wende, verlangte die Theaterwelt in Großbritannien nach Stücken aus dem ehemaligen Ostblock. Dann wurde es ruhiger. Politik und gesellschaftliche Entwicklungen waren aber immer ein Thema in Stücken. Auch in ihren eigenen. Black schreibt selbst. "Weil ein Thema mich nicht nur interessiert, sondern gezwungen hat, darüber zu schreiben", erklärt die 59-Jährige, wie das Stück "Making Babies" aus ihrer Feder entsprang. "Es geht um In-vitro-Fertilisation", verrät die Autorin. Im Mittelpunkt steht ein junger Mann, der künstlich hergestellt worden ist, um seinen Bruder zu ersetzen. Es geht um seinen Kampf um Identität. Geschrieben hat sie das Stück erstaunlicherweise als Komödie. Natürlich könne man Themen auch sehr ernsthaft angehen, "aber dann hören die Leute nicht zu", ist ihre Erfahrung.

"Der Brexit, über den haben wir noch gar nicht gesprochen", fällt der Übersetzerin aus London auf. Wurde der schon Bühnenthema? Penny Black entweicht ein tiefer Seufzer. "Den Leuten wird langsam klar, welche Katastrophe auf uns zukommt", sagt die Londonerin. Was wird sich verändern, wenn ihre Heimat die EU verlässt? "Alles", lautet ihre Antwort.

Schuld an der Entscheidung sei die Sentimentalität der Engländer. Viele ältere Leute wünschten sich einfach ihren blauen Pass zurück. Aber schon jetzt seien die großen wirtschaftlichen Auswirkungen spürbar. "Die großen Finanzfirmen gehen schon weg", sagt Penny Black. Viel wurde in ihrer Heimat über die EU geschimpft. "Dabei entstand die EU aus dem tiefen Wunsch, eine Zusammenarbeit zu finden und nie wieder Krieg zu haben."

Black spricht von einem Mangel an Verständnis, der Schuld sei an der Brexit-Entscheidung. "Weil wir eine Insel sind, verstehen wir das nicht." Sie bezeichnet sich selbst als Europäerin und sagt: "Mein Herz ist fast gebrochen."

Erst einmal atmet sie durch und arbeitet in Straelen, inmitten von Übersetzern aus aller Welt. Bei ihrem dreimonatigen Aufenthalt wird sie ein französisches Kindertheaterstück mit ihrem Freund zusammen übersetzen, für die österreichische Schauspielerin Maxi Blaha einen Monolog über Gustav Klimts Muse vom Deutschen ins Englische transferieren und das Kultursekretariat NRW besuchen.

(RP)
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