Pfarrer Dirk Meyer "Unser Hilfsangebot ist das Gespräch"

Geldern · Seit fast genau 60 Jahren kümmert sich die Telefonseelsorge bundesweit um verzweifelte und einsame Menschen. Dabei leisten die Ehrenamtlichen eine segensreiche Arbeit, wie Dirk Meyer, der Leiter der Telefonseelsorge am Niederrhein, weiß.

 Seit März 2013 ist der evangelische Pfarrer Dirk Meyer Leiter der Telefonseelsorge Niederrhein-Westmünsterland.

Seit März 2013 ist der evangelische Pfarrer Dirk Meyer Leiter der Telefonseelsorge Niederrhein-Westmünsterland.

Foto: Ekkehart malz

Niederrhein In diesem Jahr feiert die Telefonseelsorge in Deutschland ihr 60-jähriges und die Internet-Seelsorge ihr 20-jähriges Bestehen. Im Vorfeld der runden Geburtstage fand ein Aktionstag unter dem Motto "Leitung an die Leitung" statt, bei dem sich Würdenträger der evangelischen und der katholischen Kirche in den 105 Telefonseelsorgestellen über die Arbeit der bundesweit rund 8000 Ehrenamtlichen informiert haben. In Wesel besuchte Weihbischof Wilfried Theising aus Xanten die Telefonseelsorge Niederrhein-Westmünsterland. Sie wird seit nunmehr gut zweieinhalb Jahren von Pfarrer Dirk Meyer geleitet. Die RP sprach mit ihm.

Haben Sie selbst einmal in ihrem Leben irgendwann die Hilfe der Telefonseelsorge in Anspruch genommen und die kostenlosen Nummern 0800 1110111 oder 1110222 angerufen?

Meyer (lacht) Nein. Allerdings hatte ich auch immer Personen in meinem Umfeld, die mir sehr positiv zugewandt waren und zu denen ich ein vertrauensvolles Verhältnis hatte.

Sitzen Sie eigentlich selbst am Telefon, um Menschen in Notlagen zuzuhören?

Meyer Ausnahmsweise bei einem Dienstausfall, ansonsten nur zu Ausbildungszwecken. Bei uns ist es ganz wichtig, dass die Arbeit nur von Ehrenamtlichen gemacht wird.

Was sind das für Menschen, die sich ehrenamtlich bei der Telefonseelsorge engagieren?

Meyer Wir haben von der Hausfrau bis zum Psychologen, von der Friseurmeisterin über Ärzte, Anwälte bis Kaufleuten und Rentnern Persönlichkeiten mit den unterschiedlichsten Erfahrungshintergründen in unserem Team. Es fällt auf, dass vermehrt Menschen gegen Ende ihres Berufslebens den Weg zur Telefonseelsorge suchen, weil sie eine sinnvolle Betätigung für die Zeit des Ruhestands suchen. Die meisten Ehrenamtler bleiben im Durchschnitt elf bis zwölf Jahre bei uns. Eine Dame ist von Anfang an dabei - 33 Jahre schon.

Was sind die Hauptgründe, dass sich Menschen an die Telefonseelsorge wenden? Haben sich die Probleme der Anrufer im Laufe der Jahre verändert?

Meyer Die Suizidprävention ist nach wie vor ein wichtiger Bereich. Es melden sich aber vor allem Menschen, die Probleme in der Partnerschaft haben, die in einer beruflichen Krise stecken, die über den Verlust eines geliebten Menschen sprechen möchten, über Krankheit und Existenzfragen. Gleichzeitig ist die Telefonseelsorge für eine ganze Reihe von Anrufern eine Art Teil des eigenen Soziallebens.

Das heißt, diese Menschen rufen öfter an.

Meyer Ja. Gerade Menschen, die psychisch erkrankt sind, die sich durch ihre Krankheit als sehr isoliert und vereinsamt erfahren, für die wird die Telefonseelsorge zum Fenster zur Gesellschaft. Da ersetzen wir die Gespräche, die früher über den Gartenzaun geführt wurden.

Geben Ihre Mitarbeiter Ratschläge?

Meyer Unser Hilfsangebot ist das Gespräch. Wir wollen nicht zu früh delegieren. Wenn wir feststellen, dass professionelle Hilfe nötig erscheint, fragen wir nach, ob der Anrufer schon einmal anderweitig Hilfe gesucht hat. Wir möchten in den absolut anonym geführten Gesprächen niemanden irgendwohin drängen. Wenn es um Suchtfragen geht, möchten wir mit dem Anrufer gemeinsam erarbeiten, welche Hilfsmöglichkeiten für ihn in Frage kommen könnten.

Die Mitarbeiter erfahren aber nicht, was aus den Anrufern wird, oder?

Meyer So ist es. Jedes Telefonat ist eine abgeschlossene Einheit. Für unsere Ehrenamtlichen ist es eine Herausforderung, einen Einsatz zu bringen, ohne ein Resultat zu bekommen. Wenngleich ich schon sagen muss, dass sich viele Anrufer auch bedanken und sagen, wie gut ihnen das Gespräch getan hat.

Was kann derjenige tun, der sich ehrenamtlich bei der Telefonseelsorge engagieren möchte?

Meyer Im Herbst startet wieder ein neuer Ausbildungskursus, der zwölf bis 15 Monate dauert. Informationen bekommen Interessenten schon jetzt unter der Rufnummer 0281 156141 oder auch im Internet unter www.telefonseelsorge-niederrhein.de.

RP-REDAKTEUR KLAUS NIKOLEI FÜHRTE DAS GESPRÄCH.

(RP)
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