Nicole Füngerlings Und Dr. Martin Kreuels "Tot und jetzt?" - Ein Praxisleitfaden

Geldern · Die Walbeckerin Nicole Füngerlings hat gemeinsam mit dem ehemaligen Kevelaerer Dr. Martin Kreuels ein Buch geschrieben. Sehr lebensnah werden Schritte rund um Beerdigung und Abschiedsprozess beschrieben. Fotos dokumentieren das Ganze.

 Nicole Füngerlings mit dem Buch über den Tod und Trauerprozess.

Nicole Füngerlings mit dem Buch über den Tod und Trauerprozess.

Foto: gerhard Seybert

Sie haben ein Buch geschrieben, das vielleicht nie ein Bestseller wird, weil es kein so leichtes Thema behandelt.

Nicole Füngerlings (lacht) Wer weiß, wer weiß.

Worum geht es in "Tot und jetzt?"

Füngerlings In dem Buch geht es um den Prozess vom Zeitpunkt des letzten Atemzugs bis zur Grabgestaltung. Die verschiedenen Schritte haben wir fotografisch begleitet, um das wirkliche Geschehen abzubilden.

Warum war so ein Buch denn an der Reihe?

Füngerlings Ich arbeite als Sterbeamme, begleite Kinder und Jugendliche, die einen Sterbefall in der Familie haben. Die Kinder haben viele Fragen, etwa: Wo ist Mama? Aber auch alle anderen in der Familie wollen wissen: Was kommt auf uns zu? Dürfen wir den Verstorbenen noch einmal sehen? Wie tief ist überhaupt so ein Grab? In dem Buch wird alles genau anhand von realen Fotos gezeigt. Es gibt kurze, knackige Texte. Es ist ein Sachbuch - und kein Gute-Nacht-Geschichten-Buch.

Die Fotos, wie und wo sind die entstanden?

Füngerlings Ich habe mich auf die Suche nach einem Fotografen gemacht. Ich wollte weg von irgendwelchen Aquarellen, die in Büchern auftauchen, die sich mit dem Tod beschäftigen. Ich wollte eine realistische Darstellung. So bin ich auf Dr. Martin Kreuels gestoßen, der auch Post-Mortem-Fotografie macht und damit vertraut ist, Verstorbene zu fotografieren. Ich brauchte einen Fotografen, der keine Scheu hat. Außerdem konnte ich auf ein Repertoire von Fotos vom Bestattungsunternehmen Aengenendt in Wachtendonk-Wankum zugreifen. Ich wollte ein realistisches Buch gestalten.

Das Buch nimmt man vermutlich nicht einfach so in die Hand. Für wen ist es gedacht?

Füngerlings Es ist vielseitig einsetzbar, zum Beispiel für Bestatter, die in Familien mit Kindern und Jugendlichen erklären, was auf sie zukommt. Das Buch ist für Trauerbegleiter. Es wäre auch denkbar für Messdienergruppen, als Vorbereitung, wenn sie in einer Messe mit Beerdigung dienen. Es ist für Lehrer, die sich im Unterricht mit dem Thema Sterben, Tod und Trauer beschäftigen. Es gibt aber auch viele Erwachsene, die noch Fragen rund um das Thema haben. Es ist vielseitig einsetzbar.

Soll das Buch nur informieren, oder soll es die Angst vor dem Tod nehmen?

Füngerlings Ich sag' mal, das hängt von jedem selbst ab, wie er an das Thema rangeht. Ich möchte aber Mut machen, Beerdigung mal anders zu gestalten, etwa statt des Beerdigungskaffees ein Buffet zu gestalten, bei dem alle miteinbezogen werden, den Sarg individuell zu bemalen. Gemeinsam etwas machen. Das kann gut tun. Wenn jemand gestorben ist, herrscht meist eine Sprachlosigkeit. Das Buch soll helfen, ins Gespräch zu kommen. Was mir ganz wichtig ist: Kinder und Jugendliche von Anfang ein mit einzubeziehen.

Dr. Martin Kreuels, Sie sind als Fotograf mit an Bord. Sind Sie so eine Art männlicher Part des Buches?

Dr. Martin Kreuels So kann man das nennen.

Trauern Männer anders?

Kreuels Das tun sie, vor allem was die Kommunikation angeht. Frauen benutzen Netzwerke, besuchen Trauercafés, holen sich schneller Hilfe. Männer tun sich da schwerer, Gefühle zu zeigen. Wegen dieser eklatanten Unterschiede muss sich auch das Trauerwesen ändern.

Wie?

Kreuels In Spanien gibt es zum Beispiel rein männliche Hospize mit männlichen Begleitern. Ich biete Sprechstunden für trauernde Männer im Odenwald und in Leer an. Die sind überlaufen. Ich merke, da ist Bedarf. Dieses Gefühl: Da sitzt einer, der hat das alles durchgemacht und hört sich das einfach an. Nichts gegen Frauen als Ansprechpartner. Aber von Mann zu Mann ist es anders. Ich habe schon 22 Bücher geschrieben. Zuletzt: Männerstille. Ich glaube, Männer brauchen einen Ort, um sich zurückzuziehen.

Was dachten Sie, als die Buchanfrage kam?

Kreuels Mir war sofort klar, ja, das ist genau das richtige Projekt. Als meine Frau starb, habe ich auch ein Buch für meine vier Kinder gesucht. Es ist so, wie Nicole Füngerlings sagt, es gab Bücher mit Zeichnungen, aber keiner wagte sich bisher an die Realität heran. Die Idee, zu zeigen wie es ist, ist richtig. Es ist für Eltern, die ihren Kindern erklären, was passiert da beim Trauern, aber genauso für Erwachsene, die zum ersten Mal mit dem Tod in Kontakt kommen.

DIE INTERVIEWFRAGEN STELLTE BIANCA MOKWA.

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort