Issum Teure Inklusion am Nachmittag

Issum · Integrationshelfer sollen dafür sorgen, dass alle Kinder die gleichen Chancen haben und an Regelschulen unterrichtet werden können. Das Antragsverfahren ist aufwendig und scheitert spätestens am offenen Ganztag. Zwei Beispiele.

 Regina Kampmann, Geschäftsführerin des Offenen Ganztags.

Regina Kampmann, Geschäftsführerin des Offenen Ganztags.

Foto: binn

Das Mädchen mit den blonden Haaren dreht seine Runden mit dem Kettcar auf dem Schulhof der St.-Nikolaus-Grundschule in Issum. Es ist alles gut, solange sich kein Konflikt anbahnt, zum Beispiel ein anderes Kind darauf besteht, auch das Kettcar zu bekommen, solange keine Stresssituationen auftauchen, die es zu lösen gilt. "Bloß nicht aus dem Rhythmus kommen", beschreibt es die Mutter des Mädchens. "Werden die Stofftiere im Zimmer anders hingestellt, bricht für unsere Tochter eine Welt zusammen."

Die Tochter hat eine autistische Spektrumstörung. Alles, was anders ist, bedeutet Stress. Außerdem hat sie Epilepsie und manchmal "stille Anfälle". Trotzdem geht sie in eine "normale", also eine Regelschule. Das ist auch so gewollt, Stichwort: Inklusion. Das Problem ist aber, dass die Eltern bis heute keinen Integrationshelfer für ihre Tochter bewilligt bekommen haben, der sie im Schulalltag unterstützt.

Jedes Schuljahr haben die Eltern neu den Antrag gestellt, mit geforderter Begründung des Psychologen, sind den langen Antragsweg gegangen, vom Antrag stellen beim Jugendamt, dem psychologischen Gutachten, Schreiben der Schulleitung und Stellungnahme des Schulamts. Ihre Tochter ist mittlerweile in der dritten Klasse, der Antrag wurde immer abgelehnt. "Ich habe noch nie eine richtige Begründung bekommen", sagt die Mutter frustriert. Eine Integrationshelferin hat die Familie wenigstens für den Offenen Ganztag. Der Verein der Freunde und Förderer der St.-Nikolaus-Schule hat das angestoßen und sammelt nun Spenden. 13.300 Euro kostet die qualifizierte Integrationshelferin pro Schuljahr, davon sind 12.000 Euro Personalkosten.

"Das sind 1000 Euro im Monat bei 18 Wochenstunden für eine Fachkraft", erklärt Regina Kampmann, die Geschäftsführerin des Offenen Ganztags, die sich darum bemüht, das Geld durch Spenden zusammen zu bekommen. Warum man dafür spenden sollte, liegt für sie auf der Hand. "Es hilft keinem, wenn wir die Kinder im jungen Alter nicht stärken und sie später Sozialleistungen beziehen müssen, weil sie ihre Fähigkeiten nicht entwickeln können." Es gehe um die Stärkung der Persönlichkeit und Entwicklung des Kindes.

Das gilt auch noch für ein anderes Mädchen im Ganztag. "Sie hat nicht wirklich vor irgendetwas Angst", beschreibt ihre Mutter das Problem. Das heißt, ihre Tochter kann schnell in gefährliche Situationen kommen, weil sie Gefahren nicht abschätzen kann. Hinzu kommen Konzentrationsstörungen. Trotz Bescheinigung vom Arzt, der Frühförderstelle, der Schule und Erzieherin sei auch ihr Antrag auf einen Integrationshelfer für die Schule abgeschmettert worden. Wenigstens im Offenen Ganztag hat ihre Tochter nun eine eigene Integrationshelferin, die durch Spendengelder finanziert werden muss. "Das beruhigt mich, wenn ich arbeiten gehe", sagt die Mutter. Warum sie nicht zu Hause bleibt? "Heutzutage müssen oft beide Elternteile arbeiten, sonst bekommt man das Leben nicht gestemmt", erklärt sie.

Die Mitarbeiter des Ganztags allein, ohne Integrationshelfer, können Inklusion allein nicht stemmen. "Wir haben 64 Kinder im Offenen Ganztag", sagt Petra Aalken. Sie leitet den Ganztag. Und gerade im Zusammensein mit vielen anderen Kindern lernen auch die beiden Mädchen viele soziale Kompetenzen. Es sei eben Sinn und Zweck, alle Kinder zu integrieren und nicht auszuschließen. Die Eins-zu-Eins-Betreuung der beiden Mädchen ist dafür die Brücke. Neben der sozialen Komponente gibt es auch eine praktische. Beide Mädchen können sich nicht einfach hinsetzen und Hausaufgaben machen. "Beide haben große Konzentrationsstörungen", bescheinigt Aalken. Die beiden Integrationshelferinnen leisten die nötige Unterstützung, damit auch das mit dem Nachbereiten des Unterrichts klappt.

Für die Finanzierung der Integrationshelfer gibt es schon Teilzusagen. Kampmann hofft, dass sich noch viele finden, die den Mädchen bei ihrem Weg in die "normale" Schulwelt helfen.

(RP)
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