Kampfsport Vier Generationen im Taiwan Do vereint

Kerken · Von Urenkel Johannes bis Urgroßmutter Hildegard hält sich an der Kampfkunst-Akademie in Kerken eine ganze Familie fit. Begründer Mario Frerker hat eine Sportart entwickelt, die für jedes Alter geeignet ist und auf Partnerschaft setzt.

Tochter, Urenkel, Urgroßmutter und Enkel: Ursula Kleinbongardt, Johannes Kleinbongardt, Hildegard Schornstein und Karsten Kleinbongardt (von links) halten sich mit Taiwan Do fit. Im Hintergrund Sandra Glodowski und Ralf Ouwens von der Kerkener Kampfkunst-Akademie.

Tochter, Urenkel, Urgroßmutter und Enkel: Ursula Kleinbongardt, Johannes Kleinbongardt, Hildegard Schornstein und Karsten Kleinbongardt (von links) halten sich mit Taiwan Do fit. Im Hintergrund Sandra Glodowski und Ralf Ouwens von der Kerkener Kampfkunst-Akademie.

Foto: Markus van Offern

Vier Füße, zu hören sind zischende Geräusche beim Ausatmen. Die 91-jährige Hildegard Schornstein stößt ihre 67-jährige Tochter Ursula Kleinbongardt an. "Mensch, das machen wir auch", flüstert sie ihr begeistert zu, während beide der Vorführung von Enkel Karsten Kleinbongardt und dessen Sohn Johannes zuschauen.

Im Alter von sage und schreibe 90 Jahren entschied sich Hildegard Schornstein für einen neuen Sport: Tai Chi Chuan an der Taiwan Do-Akademie in Kerken. Eine Vorführung auf dem Aldekerker Marktplatz hatte sie überzeugt. "Es wurde höchste Zeit", sagt die Urgroßmutter zu ihrem ungewöhnlichen Entschluss, regelmäßig Sport zu treiben. Wenigstens eine Stunde am Tag. Zweifel, dass sie es nicht packen könnte, hatte sie nie. Stattdessen begeisterte sie ihre Tochter auch noch. Ihr Urenkel Johannes kam als erstes Mitglied der sportlichen Familie mit Taiwan Do in Berührung. Als Fünfjähriger besuchte er einen Kursus für Kinder, nachdem er den Film "Kung Fu Panda" gesehen hatte.

Der Stilbegründer der Sportart heißt Mario Frerker und stammt aus Hüls. 1970 hatte er mit dem Judo-Training begonnen. Doch irgendwann störte ihn die Siegermentalität der Sportler. Kurzerhand erfand Frerker "Taiwan Do" - eine Kampfsport-Variante, in der es keine Gegner gibt, sondern ausschließlich auf Partnerschaft ankommt. "Do steht im Japanischen für Weg. Es geht nicht nur um den reinen Sport. Wir möchten uns auch einem philosophischen Ideal nähern", erklärt Frerker, der in Kerken "seine" Sportart lehrt.

Er hält die Hand hoch, die fünf Finger stehen für die fünf großen Lehrinhalte. Der Daumen symbolisiert Punkt eins: die Atmung. "Es handelt sich um das Erste, was der Mensch macht. Und das Letzte", nennt Frerker eine unumstößliche Wahrheit. Statt flacher Brustatmung lernen die Teilnehmer in der Taiwan Do-Akademie die natürliche, tiefe Bauchatmung. Diese praktizieren Babys, ehe sie im Laufe der Zeit verloren geht. Zweiter Aspekt der Lehre ist die äußere und innere Haltung. Als das Thema zur Sprache kommt, setzen sich die Teilnehmer automatisch ein bisschen gerader hin. Das Stichwort heißt Achtsamkeit. Ein Begriff, den Frerker schon lange verinnerlicht hat und an Schüler und Lehrer wie Ralf Ouwens weitergibt.

Punkt drei lautet Konzentration, hinzu kommt die Bewegung. Diese ist bei Johannes und seinem Vater Karsten schnell, bei Groß- und Urgroßmutter fließend. Um in jedem Alter praktiziert werden zu können, gliedert sich Taiwan Do in zwei Bereiche. Auf der einen Seite die Kampfkunst Kung Fu Wu Shu, auf der anderen die Gesundheitslehre Tai Chi Chuan. Der Unterschied ist schon äußerlich erkennbar. Die "Kampfsportler" Johannes und Karsten tragen schwarze Anzüge, die beiden älteren Damen weiße. Die junge Generation, die sich dem Kung Fu Wu Shu verschrieben hat, demonstriert noch "Kata", eine Art Schattenkampf. "Sie dürfen kämpfen, aber es passiert ja nichts", erklärt Lehrer Ralf Ouwens. Die Abläufe faszinieren den zehnjährigen Johannes. Es handelt sich um kurze, schnelle Bewegungen, die eine exakte Ausführung erfordern. Dazwischen sind zischende Geräusche zu hören. "Drachenatmung" erklärt Frerker.

Die Damen sind an der Reihe. Auch zu Beginn ihrer Trainingseinheit steht die Atmung im Vordergrund. Ihre Bewegungen sind allesamt fließend. Die Szene erinnert an Fernsehbilder aus China, die Menschen zeigen, die sich für ähnliche Übungen morgens im Park treffen. "Tai Chi Chuan schont die Gelenke und ist daher gerade auch für Menschen geeignet, die lange keinen Sport mehr getrieben haben", erklärt Frerker.

Dann zeigt er noch seinen kleinen Finger und kommt auf die praktische Lebensphilosophie zu sprechen. "Was klein zu sein scheint, kann Großes sein", deutet der Begründer des Taiwan Do geheimnisvoll an. Karsten Kleinbongardt nutzt die Sportart in erster Linie zum Stressabbau. Dass vier Generationen seiner Familie in einem Boot sitzen, ist das Sahnehäubchen obendrauf.

(bimo)
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