Geldern Sieben Mal ausverkauft: Fabula

Geldern · Am Wochenende feierte das Musical der Schüler des Berufskollegs der Liebfrauenschule Premiere. Die Geschichte handelt von unserer Welt im Jahr 2116. Das Digitalzeitalter hat die Individualität verdrängt. Beängstigend gutes Stück.

 Pandora (Natascha Janhsen) ist die Programmiererin der virtuellen Serie "Flammen von Fabula. Was sie denkt, erscheint auf dem Bildschirm.

Pandora (Natascha Janhsen) ist die Programmiererin der virtuellen Serie "Flammen von Fabula. Was sie denkt, erscheint auf dem Bildschirm.

Foto: Seybert

Es ist das Zeitalter 2116, in das die Zuschauer von Fabula mitgenommen werden. 2116, es fallen Sätze wie "total vernetzt" und "ihr glaubt es nur, wenn es auf dem Bildschirm steht". Auf der Bühne tanzen Einheitsmenschen, alle gleich gekleidet, die gleiche Frisur und das Handy gut sichtbar und griffbereit.

Es drängt sich die Frage auf: Wie weit ist 2116 entfernt? Die Schüler des Berufskollegs der Liebfrauenschule Geldern zeichnen mit Fabula eine Welt, in der alle Fantasie verboten ist. Die Freiheit wurde zugunsten einer weltweiten Allianz aufgegeben. Die einzige Freude, oder wie es in dem Stück heißt, die einzige Möglichkeit "uns für zehn Minuten noch als Mensch zu fühlen" liefert eine Serie. Auf zwei großen Bildschirmen auf der Bühne flimmert der Vorspann von "Die Flammen von Fabula". Dazwischen nimmt Pandora (Natascha Janhsen) auf eine Art Thron Platz. Was sie denkt, wird in Echtzeit auf die Bildschirme übertragen. Vier Spielleiter überwachen, dass es auch im Sinne der großen Allianz ist. Sie machen keinen Hehl daraus, wofür die Serie steht. "Die Massen begeistern, um von ihrem jämmerlichen Dasein abzulenken", erklärt einer der grauen Gestalten frei heraus. Jana van Lück, Aysun Bülbül, Saskia Papen und Maike Wittinghofer als Spielleiter erinnern ein bisschen an die grauen Herren bei "Momo", immer darauf bedacht, alles Schöne, und vor allem die Fantasie, von den Einheitsmenschen fernzuhalten.

Die Menschen wissen Pandoras Kreativität zu schätzen. Bei einer Tanzeinlage (60 Tänzer sind in das Musical eingebunden) tragen sie die Ideengeberin der Serie tatsächlich auf Händen. "Pandora bleiben sie brillant" fordern die Spielleiter. Doch plötzlich geht etwas schief. Einer der Darsteller spricht von der Angst, gelöscht zu werden. "Eine virtuelle Figur weiß nicht, dass sie gelöscht werden kann", stellt einer der Spielleiter klar und lässt die Serie anhalten. Ein anderer Darsteller, Novas, fordert lauthals die Freiheit ein. Die Spielleiter verlangen die Tötung des Aufständischen in einer der nächsten Serienfolge. "Wenn Novas nicht stirbt, bekommen die Menschen falsche Vorstellungen", lautet ihre Sorge.

Pandora gerät ins Zweifeln. "Ich habe Novas erschaffen und ihn lieb gewonnen." Die Spielleiter spinnen unterdessen eine Intrige, die Pandora in die Serie einbauen soll. Als Zuschauer fiebert man mit den Einheitsmenschen mit und will wissen, wie es weitergeht. Es kommt zu einem Gänsehaut verursachenden Liebesduett zwischen Vigor (Ram Paramanathan) und Venia (Esma Nur Asci). Begleitet wird das herzergreifende Liebesgeständnis von einer einfühlsamen Tanzperformance. Die Stimmung kippt, als Crisma auftaucht. Trotzig, fast drohend, singt Marie Weber als Crisma: "Niemand, niemand, sagt mir, wen ich liebe. Niemand, niemand, sagt mir, wer ich bin."

Die Serie gerät außer Kontrolle. Pandora hat keine Macht mehr über die Figuren. Die Spielleiter befinden sich plötzlich in den Bildschirmen und nicht mehr auf der Bühne. Die virtuelle Welt geht in die Realität über. Die Figuren kommen den Zuschauern ganz nah. Novas (Roderic Zaak) geht durch die Zuschauerreihen, beugt sich hinunter und sagt laut hörbar ins Ohr: "Hab' keine Angst." Angst, die haben die schwarz gekleideten Einheitsmenschen, als die bunten Serienfiguren die Bühne erobern. "Serienhelden sind eure verschlüsselten Träume", erklärt Pandora dem Publikum. "Öffnet eure Herzen, erlaubt euch Gefühle, nicht nur in einer Fernsehserie, sondern in eurem Leben", spricht sie zu allen Zuhörern. "Habt keine Angst vor Fantasie", lautet die Forderung zum guten Schluss.

So gut ist er aber dann doch nicht. Eher überraschend. Und der Zuschauer wird vielleicht nachdenklicher sein Smartphone anschalten, im Internet surfen und einmal mehr genauer hinschauen, was ihn in seiner Meinung und Wahrnehmung beeinflusst. Das Stück, von Guido Niermann und Thomas Cöhnen inszeniert, und von Sebastian Benthin komponiert, kommt in vielen Teilen leicht und lustig rüber, vertritt aber einen ernsten Inhalt. Sieben Mal ausverkauft, darauf können die Schüler stolz sein, die von der Technik, Tanz und Spiel, über Bühnenbau, Band und Kostüm alles selber in der Hand haben. Wer noch mehr hören will, der kann von Fabula auch eine CD erwerben.

(RP)
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