Issum Sevelens "Facettenreich" ist geöffnet

Issum · Eine große Feier stimmte am Samstag auf die neue Gesamtschule ein, der erste Schultag war schon am Mittwoch. Redner erinnern an den langen Weg und daran, wie die Kritiker überzeugt wurden. Bunte Luftballons am Himmel.

 Ihren ersten Schultag erlebten die Schüler von "Facettenreich" schon vor dem Festakt. Für sie öffneten sich die Türen bereits am Mittwoch.

Ihren ersten Schultag erlebten die Schüler von "Facettenreich" schon vor dem Festakt. Für sie öffneten sich die Türen bereits am Mittwoch.

Foto: Gerhard Seybert

Licht aus, Stille. Olaf Peim tritt auf die Bühne in der Sevelener Turnhalle, wünscht ein "Herzlich Willkommen im Facettenreich". Statt langer Reden zur Eröffnung der neuen Gesamtschule macht Peim, der gemeinsam mit Tina Liehr die Schule leitet, die Bühne frei mit den Worten "Die Kinder stehen im Mittelpunkt".

Vor den schwarzen Vorhängen treten Kinder in schwarzen T-Shirts, schwarzen Hosen und barfuß auf. Ansonsten ist Stille. Klaviermusik setzt ein. Die Kinder richten sich langsam auf, die Musik steigert sich und mit ihr das Gefühl "Es wird gut". Die Eltern blicken gespannt auf die Kinder, die einzeln nach vorne treten und sich vorstellen. "Hallo, ich heiße Stella und schwimme gerne", sagt das Mädchen, das eine Taucherbrille und Schnorchel in der Hand hält. Nach dem berühmten Klavierstück aus dem Film "Die fabelhafte Welt der Amélie" erklingt rockiger Gitarrensound: "Go your own way" (Geh' deinen eigenen Weg"). "Das ist die Freiheit, diese Form von Unterricht, wirklich", haucht eine ältere Dame im Publikum begeistert. Der Rest applaudiert.

Dann folgen doch noch einige offizielle Worte. Margret Keusen, Issums stellvertretende Bürgermeisterin, betritt die Bühne. Peim wird später sagen, dass er sich freue, dass gerade sie die Eröffnungsrede gehalten hat, eine der größten Kritikerinnen der Schule. Und Keusen nimmt auch kein Blatt vor den Mund. "Es war noch jede Menge Skepsis vorhanden", sagt sie, als sie den Weg der Schulbildung nachzeichnet. Angefangen vom Aus der Käthe-Kollwitz-Hauptschule, weil die Anmeldezahlen zurückgingen, bis zu den Interessenten Liehr und Peim, die in den Räumen ihre Form von Schule verwirklichen wollten. Eine Schule ohne Zwänge, ohne festen Stundenplan. "Aber dann lernten wir Peim und Liehr persönlich kennen, wir saßen da und staunten", erzählt Keusen von der beginnenden Veränderung. Ein Besuch der Freien Aktiven Schule in Wülfrath brachte die endgültige Gewissheit: Das kann funktionieren. Ein "Dankeschön" klingt aus dem Publikum. Robert Freitag, Leiter der Freien Aktiven Schule, hatte es sich nicht nehmen lassen und war zum Gratulieren nach Sevelen gekommen.

"Wer in Deutschland eine Schule eröffnen möchte, der braucht wirklich starke Nerven, die Voraussetzungen sind ganz schön streng", gibt Keusen einen Blick hinter die Kulissen. Letztendlich war das Interesse an der neu gegründeten Gesamtschule in Sevelen so groß, dass das Los entscheiden musste. Mit 32 Schülern ist die Schule gestartet, 62 Anmeldungen gab es. Die Schüler teilen sich drei Lehrräume, die gemütlich aussehen, fast Wohnzimmercharakter haben mit der großzügigen Couchlandschaft. Im Flur stehen Bücherregale mit Bildbänden von Pablo Picasso, August Macke und anderen großen Malern. "Sie sagten: ,Nein, wir machen keine Kuschelpädagogik'", zitiert Keusen die Schulleiter und nimmt Kritikern die Spitze. "Das ,Was' ist das gleiche, nur das ,Wie' ist anders", sagt sie über den Lernstoff. Sie wendet sich an die Zuhörer. "Sie als Eltern haben auch einen mutigen Schritt gewagt und ihre Kinder auf einer neuen Schule angemeldet, die andere Wege gehen will."

Es wird sehr emotional, als die Schulleiter Liehr und Peim sich bei ihren Familien bedanken. "Als ich zu meinen Eltern gegangen bin und ihnen von meiner Idee erzählt habe, haben sie nicht den Kopf geschüttelt, sondern gesagt: ,Tina, mach' das'", sagt Liehr. Etwas später lassen die Schulkinder viele bunte Luftballons in den blauen Himmel steigen, ein Kontrast zum Schwarz in der Turnhalle, facettenreich eben.

(RP)
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