Straelen Schriftstellerinnen eine Stimme geben

Straelen · Claudia Cabrera pendelt zwischen Mexiko und Deutschland. Bis März ist sie als "Translator in Residence" in Straelen. Drei Projekte hat sie sich vorgenommen. In ihrer Heimat ist sie im Übersetzerverband aktiv.

 Die umfangreiche Bibliothek im Europäischen Übersetzerkollegium hilft Claudia Cabrera bei ihrer Arbeit.

Die umfangreiche Bibliothek im Europäischen Übersetzerkollegium hilft Claudia Cabrera bei ihrer Arbeit.

Foto: Gerhard Seybert

Franz Kafka, Arnold Zweig - alles andere als leichte Kost hat Claudia Cabrera schon übersetzt. Auftragsarbeiten. "Es ist nicht so einfach, sich etwas zu wünschen", sagt sie über ihren Beruf. Aber sie versucht es trotzdem. Die Mexikanerin würde gerne mehr Frauen übersetzen.

Die Idee reifte, als sie das Buch "Die Stunde zwischen Hund und Wolf" von Silke Scheuermann in ihre Sprache übertrug. "Es ist ein Buch von einer Frau über eine Frau", beschreibt Claudia Cabrera deren literarisches Erstlingswerk. Macht es einen Unterschied, ob ein Mann oder eine Frau ein Buch geschrieben hat? Die Übersetzerin sagt: "Nein. Ich glaube, Literatur ist Literatur. Wenn sie gut geschrieben ist, ist es egal." Ihr geht es um etwas anderes. "Es gibt Frauen, die tolle Bücher geschrieben haben, tiefgreifende Geschichten, die man nicht immer so mitkriegt." Sie sei keine Feministin, betont sie. "Aber ich bin für gleiche Arbeitsbedingungen, und dass Frauen genauso sichtbar sind wie Männer. Vielleicht bin ich ja doch Feministin", sagt sie lachend. Die Schriftstellerinnen, die ihr besonders am Herzen liegen, seien solche, die zwischen den beiden Weltkriegen gelebt und gearbeitet haben. "Die noch nicht so bekannt sind in Deutschland, geschweige denn übersetzt wurden."

Die Mexikanerin verbindet viel mit Deutschland. Sie ist in ihrer Heimat auf eine deutsche Schule gegangen, hat das deutsche Abitur gemacht, und ihr Mann stammt aus Deutschland. "Mein Leben spielt sich praktisch in beiden Ländern ab", sagt die 46-Jährige. An der deutschen Kultur schätzt sie die Zuverlässigkeit. "Es gibt ein klares Nein und ein klares Ja." In Mexiko sei das Leben fröhlicher, bunter, lauter. "Es ist viel chaotischer", sagt sie. "Entspannter" nennt es ihr Mann. Ihr gefalle beides.

In ihrer Heimat Mexiko hat sich vor drei Monaten ein Übersetzerverband gegründet. Claudia Cabrera ist dessen stellvertretende Vorsitzende. "Das war bitter nötig", sagt sie. "Übersetzer sind ein sehr schwaches Glied in der Produktionskette der Bücher. Oft sind sie nicht sichtbar, die Tarife niedrig und die Abgabezeiten manchmal zu kurz." Mit dem Übersetzerverband wolle man den Kollegen eine Stimme geben, Einstehen für moralische und materielle Rechte. "Wenn man gut bezahlt wird und mehr Zeit hat, sind die Ergebnisse auch besser", lautet ihre einfache Rechnung.

Für ihre Zeit als "Translator in Residence" im Straelener Übersetzerkollegium hat sich Claudia Cabrera jede Menge Arbeit eingepackt. Bis März muss sie das Fachbuch "Tragödie und dramatisches Theater" von Hans-Thies Lehmann ins mexikanische Spanisch übersetzt haben. "Ich glaube, das Erscheinen des Fachbuchs wird schon ein wichtiges Ereignis in der mexikanischen Theaterszene sein", mutmaßt die Übersetzerin. Theaterstücke hat sie schon einige übertragen. Für das Fachbuch ist ihre Lektorin eine Theaterwissenschaftlerin.

Ebenfalls bei ihr auf dem Schreibtisch liegt "Ganz ehrlich, Filippa". "Kinderbücher sind wie ein Bonbon, was man bekommt", schwärmt Claudia Cabrera. "Es macht Spaß, sowas Schönes und Lustiges zu übersetzen." Deutsche Kinderbücher seien im Übrigen in ihrer Heimat sehr beliebt. "Die sind auch sehr gut", lobt sie. Die dritte Baustelle, die sie angeht, ist ein Hörspiel von Rainer Werner Fassbinder. "Es sind zum Teil sehr fragmentierte, schwierige Texte", sagt die 46-Jährige über die Auftragsarbeit, die sie für das Goethe-Institut in Mexiko macht. "Preparadise Sorry Now", in dem Fassbinder die wahre Geschichte eines englischen Pärchens nacherzählt, das Kinder und Jugendliche zu Tode folterte, ist einmal mehr schwere Kost. "Ich träume auch nachts davon", sagt die Übersetzerin. Man entwickle eine Beziehung zu den Figuren in den Texten. Plötzlich beim Bäcker könne es sein, dass ihr etwas einfällt, ein Wort zum Beispiel. Wie ist es eigentlich damit, selber zu schreiben? Claudia Cabrera lacht. "Ach, das ist ein Traum von mir, aber ich komme nicht dazu."

Dann geht sie zurück an den Schreibtisch mit ihren drei Projekten. Sie wurde schon gefragt, warum sie immer im Winter nach Deutschland gehe. "Da lockt nichts da draußen. Man bleibt einfach sitzen, am Schreibtisch." Und arbeitet.

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort