Issum "Schluffi" kehrt nach Oermten zurück

Issum · Per Schwerlasttransport kam der Eisenbahnwaggon der Serie BI 29 nach Oermten. Auf den alten Schienen am Mehrgenerationenplatz wurde er platziert. Wo der Kran nicht weiterkam, half die vereinte Muskelkraft der Anwohner.

 So soll der Waggon aussehen, wenn er restauriert ist.

So soll der Waggon aussehen, wenn er restauriert ist.

Foto: Bianca Mokwa

In Oermten herrscht Volksfeststimmung. Auf dem Mehrgenerationenplatz haben sich Familien mit Picknickdecken niedergelassen. Jeder, der nicht arbeiten muss, scheint auf den Beinen zu sein. Der Grund: Die Ankunft des BI 29, ein Waggon aus Moers, der an die glorreiche Zeit erinnern soll, als Oermten noch einen Bahnhof hatte. Die Frauen bieten Kaffee an.

Die Blicke der Wartenden gehen gespannt nach oben. Es ist 9.45 Uhr. Der Schwerlasttransporter fährt rückwärts in den Dörkesdyck. Ein Busch ist im Weg. "Astschere" ruft jemand. "Die hängt inne Bude", lautet die Antwort. Zeitgleich schwingt sich Paul Saers aufs Rad und holt eine zweite. "Jetzt machen' se die Bäume weg", kommentiert eine Frau. Hindernisse, die räumen die Oermter einfach aus dem Weg.

 Wie ein großer Ballon schwebt der rund 20 Tonnen schwere Waggon auf seinen angestammten Platz.

Wie ein großer Ballon schwebt der rund 20 Tonnen schwere Waggon auf seinen angestammten Platz.

Foto: Evers, privat, bimo

Die Bäume bleiben aber stehen. Nur ein paar Zweige vom Busch müssen weichen. Männer in orangen Warnwesten laufen zwischen dem Kran und dem Waggon auf dem Schwerlasttransporter hin und her. "1968 ist hier der letzte Personenzug gefahren", sagt Franz Genender. Später fuhr dann noch der Triebwagen "Schluff" an den Wochenenden zwischen Moers und Oermten. Viele der Zuschauer können sich noch gut daran erinnern, sind selber einmal damit gefahren. An diese Zeit soll angeknüpft werden. Genender ist mit Jakob Eickmans und Hubert Ingendahl im Organisationsteam. Alle sind im Stammtisch der St.-Sebastianus-Bruderschaft Oermten-Großholtuysen. 18 Männer, die meisten im Rentenalter, kümmern sich um den Mehrgenerationenplatz. "Wenn man so will, machen die Oermter einen multifunktionalen Treffpunkt. Sie sehen ja, was hier los ist", sagt Issums Bürgermeister Clemens Brüx anerkennend. Die Ketten des Krans sind mittlerweile am Waggon befestigt. Zwischen 18 und 20 Tonnen wiegt das Ungetüm, das auch den Spitznamen "Donnerbüchse" trägt. Zwischen 1929 und 1931 wurde es gebaut. Wie einen riesigen Luftballon ziehen die Männer den Waggon, der am Haken des Krans hängt, Richtung Schienen. "Ich glaube, die haben nicht oft so viel Publikum", stellt Cornelia Graßhoff fest, die in mitten der anderen Menschen steht und ebenfalls gespannt zuschaut. Erfahren hat sie von der Aktion über die Oermten-App. "Da kommen immer die neuesten Nachrichten." Und das, was da gerade geschieht, sei eben nicht alltäglich.

Applaus brandet auf. Der Waggon steht auf den Schienen. Aber abgeschlossen ist die Aktion noch nicht. Der Waggon muss noch ein Stück nach vorne gezogen werden, der Kran wird umgesetzt. An das Publikum werden Kekse verteilt, ein Gläschen Hugo gereicht, wahlweise auch Sekt oder Orangensaft. "Darf ich Ihnen eine Erdbeere anbieten?", fragt eine freundliche Dame. Der Kranfahrer gibt auf. Er hat den Waggon noch einmal angehoben, aber weiter kommt er nicht rum, ohne dass der Koloss mit seiner Fahrerkabine kollidiert.

 Die Oermter ließen sich das Ereignis nicht entgehen.

Die Oermter ließen sich das Ereignis nicht entgehen.

Foto: Evers Gottfried

Der Ruf nach einem Trecker wird laut. Sekunden später wird Matthias Linßen zum Held, als er mit seinem Gefährt um die Ecke biegt und dem Waggon den so wichtigen Schubser verpasst. Den Rest erledigen die Oermter - Anschieben per Muskelkraft. Jubel, Applaus, Aufatmen: Der Waggon kommt zwischen zwei Rosenbüschen zum Stehen, dort bleibt er auch. "Es sind noch Kleinigkeiten zu machen", frotzelt einer und wer mag, klettert hoch und besichtigt den Waggon von innen.

Jakob Eickmans holt einen Teil der Verkleidung herunter. "Das muss alles raus", sagt er und "Oh, Mann", als er die "vollautomatische Ölfeuerung" entdeckt. "Jetzt müssen die Jungs natürlich noch einiges machen", bringt es Norbert Raber auf den Punkt. Er hat 4500 Euro für den Waggon gestiftet. "Oermten ist wie eine große Familie", sagt er und erzählt davon, wie gut das Miteinander von Jung und Alt funktioniert. "Und wer hat denn schon so einen Eisenbahnwagen in so einem kleinen Dorf", sagt er stolz. Die Volksbank hat übrigens 2500 Euro gestiftet.

Noch ist der Eisenbahn-Waggon mit Graffiti besprüht. Auch das soll sich ändern. Dunkelgrün soll er werden, mit silbernem Dach und als Feierstätte dienen. Ein Name macht schon die Runde. "Schluffi" könnte er heißen.

(RP)
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