Geldern Prozess am Landgericht: Vom Spielzeughändler zum Bordellchef

Geldern · Der 70-Jährige sitzt recht entspannt auf der Anklagebank. Ein gemütlich wirkender Mann mit Doppelkinn und Bauchansatz. Ruhepuls 60. Dabei hätte er durchaus Gründe, nervös zu sein. Die Staatsanwaltschaft Kleve wirft dem in Kalkar lebenden Mann vor, 619.897 Euro Steuern hinterzogen und Sozialversicherungsbeiträge nicht gezahlt zu haben. Der 70-Jährige ist Besitzer eines "bordellartigen Betriebs" in Kalkar, der "Haus Manier" heißt. Hier wohnt er gemeinsam mit den Damen, für deren Dienste er nach Ansicht der Ankläger Abgaben nicht ordnungsgemäß entrichtet hat. Zunächst wollte Christian Henkel, Vorsitzender Richter, vom Angeklagten etwas über dessen Lebenslauf wissen. Bereitwillig gab der Mann Auskunft. Geboren in Berlin, absolvierte er nach der mittleren Reife eine Lehre als Vertreter. "Ich war nahezu mein ganzes Berufsleben lang selbstständig", sagt der 70-Jährige. Sein damaliges Fachgebiet: Er verkaufte Kinderspielzeug. Zwischenzeitlich führte er drei Spielzeuggeschäfte in Bocholt, Gelsenkirchen und Warendorf. Probleme hatte er, die Geburtstage seiner Kinder korrekt zu nennen, um zehn Jahre lag er daneben. Nach der Trennung von seiner ersten Frau übernahm diese zwei seiner drei Läden. Seit 1995 ist er mit einer Ukrainerin verheiratet, die beste Kontakte ins Rotlichtmilieu pflegte. Die Osteuropäerin arbeitete selbst als Prostituierte.

 "Haus Manier" in Kalkar.

"Haus Manier" in Kalkar.

Foto: Evers

Das "Haus Manier", indem die Animierdamen ihrem Tag- und vor allem Nachtwerk nachgehen, hatte der Kalkarer ersteigert. Hier soll er - mit einer kleinen Unterbrechung - zwischen 2003 und 2014 durch den Prostitutionsbetrieb die Abgaben hinterzogen haben. Hilfreich für die Ermittler war die saubere Buchhaltung der Bordell-Chefin. So fanden sie in der Küche einen Block, in dem festgehalten wurde, welche Prostituierte in welchem Zimmer um welche Uhrzeit wie lange ihre Leistungen erbracht hatte.

Das Geschäftsmodell sah so aus, dass sich der Angeklagte und die Frauen die Einnahmen teilten. Bis Mitte 2011 kosteten 30 Minuten Liebesdienst 110 Euro, für eine Stunde gab's Rabatt (160 Euro). Extra-Leistungen wurden auch extra abgerechnet. Das Geld für die Zusatzdienste hätten die Damen jedoch behalten dürfen, betonte der Angeklagte. Als das Geschäft nicht mehr so florierte, wurden die Preise gesenkt. 130 Euro zahlte ein Freier dann für die Stunde. Ein Grund für die rückläufigen Einnahmen war die Altersstruktur der Kunden. "Bei uns verkehrten nur wenig junge Leute", sagte der Chef.

Nach Darstellung der Staatsanwaltschaft hat der Bordellbesitzer lediglich die 50 Prozent der Einnahmen angegeben, die er kassierte. Er hätte dies jedoch auch für den Teil der Prostituierten tun müssen, da sie Angestellte seien. Der Anwalt des Bordell-Chefs erklärte, dass sein Mandant der Anklage nicht entgegenstehe. "Er hatte keine Erfahrung auf diesem Geschäftsgebiet. Es wird ihm zurecht vorgeworfen, dass er nicht mit Selbstständigen gearbeitet hat", sagt der Verteidiger. Fortgesetzt wird die Verhandlung am Dienstag, 12. April, ab 9 Uhr.

(peja)
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