Geldern Protest vor dem Walbecker Hospiz

Ralf Umbreit sitzt mit einem Papierschild auf dem Bürgersteig vor dem Hospiz Haus Brücke Friedel in Walbeck. "Ich sitze hier für das Recht meines Vaters auf ein würdiges Sterben ohne künstliche Ernährung, wie es sein Wille war", steht auf dem Schild.

Nicht auf dem Schild steht, dass seine Mutter in seinem Beisein den Schlauch zur Magensonde des todkranken Vaters und Ehemannes durchgeschnitten hat. Seitdem tobt ein Rechtsstreit.

Schlauch durchgeschnitten

Robert Pesch, Anwalt von Karla Paternus, Leiterin des Hospizes, erklärt die Sachlage so: Am Montag, 5. Juli, seien Ralf Umbreit und seine Mutter zu Besuch beim Vater gewesen. Dieser liegt seit 18 Monaten im Hospiz in Walbeck. Die ganze Zeit über — auch schon davor — erhalte der Patient Flüssigkeit, Nahrung und Medizin per Magensonde.

An jenem Montag hätten Ehefrau und Sohn darum geben, ungestört bei dem Patienten zu sein. Als nach einer Stunde eine Pflegerin sah, dass die Tür zu dem Raum offen stand, entdeckte sie, dass der Schlauch zur Magensonde durchgeschnitten worden war. Seine Mutter habe den Schlauch (der schnell erneuert wurde) durchgeschnitten, bestätigt Ralf Umbreit, der an diesem Tag seit anderthalb Jahren zum ersten Mal seinen Vater besuchte. Die Mutter habe die Besuche nicht gewollt, sagt er.

Sein Vater habe vor Jahren eine Patientenverfügung verfasst, aus der hervorgehe, dass er nicht am Leben gehalten werden wolle, wenn lebenswichtige Funktionen — dazu zählen Umbreits die selbstständige Nahrungsaufnahme — nicht mehr gegeben seien. Der Vater habe seiner Mutter überlassen, wann die Verfügung eingesetzt werden soll. Damit erklärt er, warum die Mutter erst jetzt den Schlauch durchschneiden wollte.

Das Hospiz erteilte Sohn und Ehefrau am Nachmittag des 5. Juli Hausverbot. Ein Kalkarer Anwalt, der bis dahin mit den Vermögensdingen des Patienten betraut war, beantragte beim Amtsgericht Geldern umgehend, dass der Ehefrau des Patienten die Gesundheitsfürsorge entzogen und ihm übertragen wird. Das geschah auch prompt. Seitdem sitzen Frau Umbreit und ihr Sohn vor dem Hospiz und demonstrieren.

Anwalt Robert Pesch fürchtet Schaden für das Hospiz, das sich aus Spenden finanziert. Eine einstweilige Verfügung der Familie, um Zugang zum Patienten zu bekommen, habe das Amtsgericht Geldern gestern Morgen abgelehnt.

Das Gericht habe zudem erklärt, dass, selbst wenn eine Patientenverfügung vorliege, die Zufuhr von Medikamenten über die Sonde nicht unzulässig sei. Zudem habe ein Gutachter bestätigt, dass der Patient nicht im Sterben liegt, es also nicht um lebensverlängernde Maßnahmen gehe. Pesch zweifelt sogar die Patientenverfügung an. Angeblich sei diese im Jahr 1994 geschrieben worden. Der juristische Stand und die Formulierungen entsprächen jedoch eher 2008.

Anzeige erstattet

Hospizleiterin Karla Paternus hofft, dass der Streit bald ein Ende hat. Sie wirft Ralf Umbreit vor, die Mitarbeiter zu ängstigen: "Wir sind bedroht worden, dass jeder umgebracht wird, der sich dem Bett nähert." Ralf Umbreit will weiter vor dem Haus sitzen bleiben. Anwalt Pesch hat gegen die Familie Strafanzeige erstattet — unter anderem wegen eines "versuchten Tötungsdeliktes" und "Bedrohung".

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