Geldern März '45: Churchill im Spargeldorf

Geldern · Wochen vor dem Ende des Zweiten Weltkrieges war der damalige britische Premierminister Winston Churchill zu Gast in Walbeck. Was er dort tat und wen er traf, darüber gehen die Meinungen von Zeitzeugen und Historikern auseinander.

 Alan Brooke, der wohl wichtigste militärische Berater Churchills, der britische Oberbefehlshaber Bernard Montgomery und Winston Churchill (von links) bei ihrem Besuch in Walbeck.

Alan Brooke, der wohl wichtigste militärische Berater Churchills, der britische Oberbefehlshaber Bernard Montgomery und Winston Churchill (von links) bei ihrem Besuch in Walbeck.

Foto: gerhard seybert

Eine Rückblende in die letzten Monate des Zweiten Weltkrieges: Im März 1945 hatten die alliierten Truppen die Deutsche Wehrmacht nahezu komplett auf die rechte Rheinseite zurückgedrängt. An der Veerter Molkerei trafen sich die Armeen der Briten und Kanadier mit den Verbänden der US-Amerikaner. Die Zusammenführungen der Truppen war einer der ersten Schritte zur Rhein-Überquerung der Alliierten.

In dieser Zeit war auch Winston Churchill, damaliger britischer Premierminister, mehrmals am unteren Niederrhein zu Gast. "Belegt ist, dass er im Februar 1945 die Truppen im Reichswald beim Kloster Graefenthal bei Goch besuchte", weiß Heinz Bosch, Historiker aus Geldern. Verbunden mit Churchills Besuch im Reichswald ist auch die Anekdote, wonach Churchill eine Granate mit persönlichen Grüßen für Adolf Hitler beschrieben hatte - das Bereitmachen dieser Granate ist gar auf Fotos belegt.

Im März 1945 kehrte Churchill wieder in den heutigen Kreis Kleve zurück. "Mindestens zwei, höchstens fünf Tage war er in Walbeck", weiß Heinz Bosch. Belege dafür finden sich in Dokumenten und Protokollen der Alliierten zur Genüge, wo aber Churchill übernachtet hatte, lässt sich heute nicht mehr herausfinden.

Fest steht, dass er irgendwann im März per Flugzeug auf dem Fliegerhorst Venlo landete. Den Flugplatz hatten die US-Truppen am 1. März 1945 eingenommen. Von Venlo aus reiste Churchill nach Walbeck. Dort, an der Schule, hatte der britische Oberbefehlshaber Bernard Montgomery Zelte als vorübergehendes Hauptquartier aufstellen lassen.

Das Aufeinandertreffen von Churchill und Montgomery in Walbeck führte später zu einer geschichtlichen Verwirrung, die in Form einer Gedenktafel in Walbeck noch heute anhält. Im Spargeldorf erinnert an der Walbecker Straße 13 eine Tafel an ein "Treffen der großen Drei" in Walbeck, Churchill, Montgomery und US-General Dwight D. Eisenhower. Von hier aus, so steht es auf der Tafel, sollen die Drei "den Angriff auf den Rhein geplant" haben.

Abgesehen davon, dass im Zusammenhang mit dem Zweiten Weltkrieg in Person der "Großen Drei" andere Politiker gemeint sind, nämlich der britische Premier, der US-Präsident und der sowjetische Staatschef: "Was dort steht, kann nicht sein", ist sich Heinz Bosch ziemlich sicher. "Es gibt Dokumente, die belegen, dass sich Eisenhower und Churchill nie in Walbeck begegnet sein können." Wahrscheinlicher ist, dass sich beide, gemeinsam mit Montgomery, am Rheinufer getroffen hatten. Eisenhower hatte vorübergehend in Kamp-Lintfort Quartier bezogen, weshalb mehrere Treffen auf den Rheindeichen in Xanten, Wardt und Büderich sehr wahrscheinlich sind. "Dass Churchill mehrere Reisen an den Rhein unternommen hat, um sich von den Aktionen zur alliierten Rheinquerung zu überzeugen, gilt als sicher", sagt der Historiker Bosch.

Auch das Foto an der Walbecker Straße 13, dass als Beweis für das Treffen der "Großen Drei" dienen soll, leitet den Historiker Heinz Bosch nicht in die Irre. "Es ist ganz sicher in Walbeck aufgenommen worden, und auf dem Bild sind Montgomery und Churchill zu sehen, aber nicht Eisenhower." Die Person im Bild links, die unbedarfte Betrachter für Eisenhower halten könnten, ist nicht der Chef der alliierten Truppen, sondern Alan Brooke, der wohl wichtigste militärische Berater Churchills.

Da die britischen und kanadischen Soldaten auf ihrem Weg Richtung Süden in schwere Gefechte mit der deutschen Verteidigung verwickelt wurden, verzögerte sich das Treffen mit den US-Truppen um rund zwei Wochen.

"Somit ist auch die Angabe auf der Tafel falsch, dass in Walbeck die Pläne für die Rheinquerung erarbeitet wurden", sagt Heinz Bosch, denn: "Da der Vormarsch Montgomerys schneller voran gehen sollte, waren die Pläne zur Rheinquerung schon längst beschlossen, bevor man sich in Walbeck treffen konnte."

(buer)
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