Issum Lernen und Alltag im "Facettenreich"

Issum · Das erste Schuljahr an der neuen Einrichtung in Sevelen ist fast um. Ein eigener Garten und Tiere sind hinzugekommen. Turnusmäßig kochen Schüler selbst. Was das mit dem Lehrplan zu tun hat, erklärt Lehrer Olaf Peim.

 Schrittweises Erlernen der Mathematik: Auf den Stufen der Treppe sind einfache Rechen-Aufgaben angebracht. Die Schüler können sie auf diese Weise wiederholen. In der Gesamtschule "Facettenreich" findet vieles ganz praktisch statt.

Schrittweises Erlernen der Mathematik: Auf den Stufen der Treppe sind einfache Rechen-Aufgaben angebracht. Die Schüler können sie auf diese Weise wiederholen. In der Gesamtschule "Facettenreich" findet vieles ganz praktisch statt.

Foto: Evers

Die Treppe hoch begegnet dem Besucher auf jeder Stufe das kleine Einmaleins. Den Schülern auch, jeden Morgen. "Sollten die eigentlich schon von der Grundschule her können", sagt Olaf Peim. Aber weil das nicht immer der Fall ist, gibt es diese Einübungshilfe im Alltag. Wie so vieles in der Gesamtschule "Facettenreich" geschieht vieles auf praktische Art. Olaf Peim und Tina Liehr sind die Initiatoren und Lehrer an dieser Schule, die in die Räume der Käthe-Kollwitz-Schule in Sevelen zog. Das erste Schuljahr liegt fast hinter ihnen. Viel ist seitdem geschehen.

Draußen ist ein Schulgarten angelegt. Linus schiebt das Törchen auf und geht durch die Reihen. "Wir haben hier Porree, noch mehr Porree, Mangold, Brokkoli, Rote Beete, Frühlingszwiebeln", zählt der Elfjährige auf. Die Sonne scheint auf jede Menge Salat. "Wir versuchen, so viel wie möglich selbst anzubauen, dann muss nicht so viel von überall herangeschafft werden, dabei entstehen ja auch Abgase." Das Gemüse landet direkt in der Küche. Vier Schüler sind jeden Tag von 9.30 bis 12 Uhr in der Küche und bereiten das Mittagessen für alle zu. Mittendrin ist Anne Rebbert. Was anders an der Schule "Facettenreich" sei? "Alles", sagt sie. "Alles, im Sinne der Kinder." Sie arbeitet ehrenamtlich dort, unterstützt, Tina Liehr ist ihre Tochter. "Die lernen hier fürs Leben", sagt Anne Rebbert. "Denn essen muss jeder, und einen Haushalt stemmen muss auch jeder." Peim erinnert daran, dass auch in der Küche Mathematikunterricht stattfindet, wenn die Rezepte auf mehr als 30 Leute umgerechnet weren müssen und der Umgang mit Skalen auf der Waage gefragt ist. Deutsch sei auch noch mit im Spiel, weil die Kinder nach dem Kochen selber formulieren, was sie gemacht haben. "Vorgangsbeschreibung" wäre dann die offizielle Bezeichnung im Deutschunterricht.

 Die Schüler sind mit dafür verantwortlich, dass im Schulgarten Porree, Mangold, Brokkoli, Rote Beete, Frühlingszwiebeln und einiges mehr wachsen kann.

Die Schüler sind mit dafür verantwortlich, dass im Schulgarten Porree, Mangold, Brokkoli, Rote Beete, Frühlingszwiebeln und einiges mehr wachsen kann.

Foto: Evers Gottfried

Wo früher die Schulbücherei der Käthe-Kollwitz-Schule untergebracht war, tummeln sich nun Rucola und Strolch, kein Gemüse, sondern Kaninchen und Meerschweinchen. Der Fünftklässler Yannick war beim Bau des Geheges beteiligt. "Tiere gehören im Grunde zum naturwissenschaftlichen Unterricht dazu", sagt Peim zu den lebenden Exemplaren. Die haben noch einen Nebeneffekt. "Wenn ich mich zu lange in der Komfortzone aufhalte, leiden die", sagt der Lehrer. Amelie und einige andere der Fünftklässler kümmern sich darum, dass es den Tieren gut geht. Komfortzone, das war wesentliches Themen beim morgendlichen Treffen. Schüler und Lehrer kommen zusammen, um alles Wichtige zu besprechen.

"Dieser Kreis ist Demokratie- und Mitbestimmungsinstrument", erklärt Peim. Jeder darf sagen, was ihn stört, der Tag wird geplant. Es geht an dem Morgen um Komfortzone und ILZ. ILZ steht für individuelle Lernzeit. Die Schüler gestalten die, wie der Name schon sagt, individuell. Jeder hat einen Wochenfahrplan und weiß, was er in welchem Fach zu tun hat, das Tempo bestimmt jeder selbst. "Die Kinder sind sehr viel mehr in Verantwortung", sagt Peim.

Der zehnjährige Frederik erzählt vom Wochenrückblick, bei dem es auch stark um eine Selbsteinschätzung geht. "Es ist hier manchmal schwerer, weil in der Grundschule kriegst du ja gesagt, was du zu tun hast", nennt Amelie den Unterschied. "Hier muss man sich das selbst einteilen." Für Lehrerin Kristina Pein ist das schon eine Vorbereitung auf das, was nach der Schule kommt. "So ist das später im Job auch", sagt sie. "Deswegen sind wir hier, dass ihr das in Studium und Beruf auch schafft", sagt Peim. "Ich glaub' an euch", schickt Kristina Liehr hinterher. Das nächste Schuljahr ist sicher. 32 Kinder sind angemeldet, es geht einzügig weiter. 64 hatten Interesse, an "Facettenreich" unterrichtet zu werden.

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort
IHR Thema?
Darüber sollten wir mal berichten? Sagen Sie es uns! IHR Thema?