Geldern Lebenshilfe kritisiert Gesetzentwurf

Geldern · "Es geht nicht um Nebensächlichkeiten, sondern darum, wo behinderte Menschen wohnen, wie sie arbeiten, ob sie Geld ansparen und ihre Freizeit individuell gestalten können", erklärt Hermann Emmers, Geschäftsführer der Lebenshilfe Kleverland. In Kleve trafen sich die Vorsitzenden der Lebenshilfen Dinslaken, Gelderland und Unterer Niederrhein, um gemeinsam ihre Kritik am Entwurf des neuen Bundesteilhabegesetzes vorzustellen.

400 Seiten umfasst das Werk, das eigentlich das Ziel verfolgt, die Teilhabe Behinderter am gesellschaftlichen Leben zu verbessern. Werner Esser, Vorsitzender der Lebenshilfe Unterer Niederrhein, erklärt an einem Beispiel, wieso gerade geistig Behinderte von dem Gesetz, so wie es jetzt formuliert ist, Nachteile zu erwarten haben: ein 38-jähriger, mehrfach behinderter Mann, alleinlebend, erhält 1612 Euro von der Pflegeversicherung. Nach dem neuen Gesetz soll er wegen der Schwere seiner Behinderung in ein Wohnheim umziehen, wo er auch Pflege erhält, dort bekomme er dann aber nur noch 266 Euro. Die Pflege, so Werner Esser, werde stärker gewichtet wie die Eingliederungshilfe. "Schwerstbehinderte Menschen sollen aber nicht in die Pflege abgeschoben werden", sagt Esser und formuliert einen der Hauptkritikpunkte der Lebenshilfen am Gesetzesentwurf, der im Januar 2017 verabschiedet werden soll.

Margot Stieler, Vorsitzende der Lebenshilfe Dinslaken, berichtet auch als Mutter eines schwer mehrfach behinderten Sohnes über die Auswirkungen des Entwurfs auf das Leben in stationären Einrichtungen. Durch die Umstrukturierung der finanziellen Hilfen müsse sich der Leistungsberechtigte selbst um Beihilfen bemühen. Betreuungshilfen für seine individuelle Freizeit könne er sich nicht mehr leisten, dürfe de facto nur noch an den Aktivitäten der Gemeinschaft teilnehmen.

Gunter Deckert als Betroffener betont: "Ich möchte für immer hier wohnen, weil die Betreuung und die Pflege sehr gut sind." Der 67-Jährige zog vor einem halben Jahr in den Wohnpark der Lebenshilfe Kleve-Materborn. Adelheid Ackermann, Vorsitzende der Lebenshilfe Gelderland, ergänzt dazu, dass das Bedürfnis, bis ins Alter dort zu leben, wo man sich zu Hause fühlt, alle Menschen haben, auch Behinderte.

Die Lebenshilfen wollen mit ihrer Kritik eine möglichst breite Öffentlichkeit erreichen und informieren. Dazu gehört eine Demonstration vor dem Düsseldorfer Landtag am 5. Oktober. Informationsveranstaltungen mit Podiumsdiskussionen sind geplant - unter anderem in der Niederrheinhalle Wesel am 26. September und im Bühnenhaus Kevelaer am 27. September.

(RP)
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