Interview Hildegard Wolff "K.o.-Tropfen wirken von jetzt auf gleich"

Geldern · Übelkeit, Filmriss, Ohmacht: K.o.-Tropfen sind heimtückisch, die Opfer leichte Beute - vor allem zu Karneval. Hildegard Wolff von der Frauen- beratungsstelle Impuls erklärt, wie man sich schützen kann.

Frau Wolff, gibt es Zahlen, wie häufig Knock-out-Tropfen, kurz K.o.-Tropfen, in fremden Gläsern landen?

Hildegard Wolff Leider nein, es gibt kaum Daten, die belegen, wie häufig sexuelle Übergriffe mit Hilfe von K.o.-Tropfen wirklich vorkommen. Im vergangenen Jahr gab es hier im Kreis Kleve nur vereinzelte Fälle. Im letzten Fall, den ich bei der Frauenberatungsstelle betreut habe, kam die Frau zwar aus dem Kreis, die K.o.-Tropfen hatte sie aber bei einer Feier in einer anderen Stadt bekommen.

Wer sind in der Regel die Opfer dieser Tropfen?

Wolff Es trifft meist junge Mädchen und Frauen. Ein Alter lässt sich nicht eingrenzen, es geht los, sobald die Mädchen ausgehen dürfen.

K.-o.-Tropfen lösen ähnliche Symptome wie Alkohol aus: Übelkeit und Schwindel. Wie kann man trotzdem erkennen, dass man K.-o.-Tropfen zu sich genommen hat?

Wolff Die Tropfen sind farb- und geruchslos, auch am Geschmack lassen sie sich nicht erkennen. Aber man weiß selbst, wie viel man getrunken hat. Bewusstlosigkeit und große Gedächtnislücken sind auch nach extremem Trinken möglich. Doch K.o.-Tropfen wirken deutlich schneller und plötzlicher als ein Alkoholrausch, es geht von jetzt auf gleich. Wenn der Zustand nicht zum Alkoholkonsum passt, wird es bedenklich.

Wenn es trotz aller Vorsicht passiert: Wie sollten Betroffene und Begleiter reagieren?

Wolff Die Frage ist, ob das Opfer noch reagieren kann. Wenn ja, sollte man sich an einen Menschen wenden, dem man vertraut. Wichtig ist, aus der Situation rauszukommen und gemeinsam ins Krankenhaus fahren. Auch einen Krankenwagen zu rufen, ist angemessen. Ist die Person bewusstlos, sollten die Begleiter sie auf jeden Fall in die stabile Seitenlage bringen.

Lassen sich K.o.-Tropfen nachweisen?

Wolff Nicht lange, nur etwa zwölf Stunden nach der Einnahme. Darum ist es wichtig, schnell ins Krankenhaus zu kommen, damit man einen Beweis hat.

An wen sollten sich Betroffene nach dem Knockout wenden?

Wolff Im Fall von sexueller Nötigung rate ich immer, Anzeige bei der Polizei zu stellen. Das fällt vielen Frauen schwer, vor allem wenn sie sich nicht daran erinnern können, was passiert ist. Unsere Frauenberatungsstelle bietet dann eine erste Beratung und hilft beim Gang zur Polizei. Unsere Mitarbeiter sind alle ausgebildet, um mit traumatisierten Menschen zu arbeiten.

Was hilft gar nicht?

Wolff Vorwürfe wie "Du hättest nicht aus dem Glas trinken sollen" oder "Dein Rock war zu kurz". Leider werden die betroffenen Frauen immer wieder damit konfrontiert. Wir versuchen den Opfern klarzumachen, dass wir ihnen glauben und sie nicht verrückt sind. Und wir bereiten sie auf die Reaktion des Körpers vor.

Welche Reaktion meinen Sie denn?

Wolff Es ist ganz normal, dass beispielsweise nach einer sexuellen Nötigung der Körper verrückt spielt - auch, wenn sich die Frau nicht daran erinnert. Dann kann es zum Beispiel zu einer Panikattacke kommen.

Damit es gar nicht so weit kommt: Wie kann man sich auf Großveranstaltungen wie Karneval am besten schützen?

Wolff Zunächst sollte man nie alleine gehen oder aber mit Freunden verabreden, dass man aufeinander achtet. Die eigene Flasche oder das Glas sollte man nie unbeobachtet lassen und keine Getränke von Leuten annehmen, denen man nicht vertraut.

DAS GESPRÄCH FÜHRTE VERENA KENSBOCK.

(RP)
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