Kerken Kerken: "Vergessene katholische Gemeinde"

Kerken · Hohe Wellen schlägt der Weggang von Pastor Theodor Prießen von Kerken nach Kleve, vor allem in den sozialen Netzwerken. Auf Facebook wurde vor allem von Nieukerkern eine Unterschriftensammlung gestartet. Die Listen liegen in mehreren Geschäften aus, auch über Whatsapp wird dafür geworben. Deutlich werden dabei auch Animositäten zwischen Aldekerkern und Nieukerkern.

Eine Spannung, die der Nieukerker Wolfgang Weinem mit persönlichen Erfahrungen untermauert. Familienmitglieder, die in Aldekerk wohnen, erzählen ihm immer wieder von einem "distanzierten Verhältnis" der Aldekerker zu Prießen, die ihn für den Weggang ihres geliebten Pastors Spindelmann verantwortlich machten. Die Haltung der Aldekerker sei besonders bei der ersten Kevelaer-Wallfahrt nach der Zusammenlegung der Gemeinden erkennbar gewesen. "Von der sonst sehr stattlichen Anzahl an Pilgern nahm gerade mal eine Handvoll teil." Unglücklich war nach Ansicht Weinems auch die Benennung der neuen Gesamtgemeinde in "St. Dionysius". "Hier hätte man eine Lösung wie in vielen anderen Gemeinden finden sollen, indem man einen gänzlich neuen Namen findet."

Für Weinem, regelmäßiger Kirchgänger in St. Dionysius, ist Kerken die "vergessene katholische Gemeinde". Vorwürfe richtet der 66-Jährige gegen das Bistum Münster. Es vergesse Kerken personell, ja vernachlässige es sträflich. Weinem weist auf das durch amtliche Statistiken dokumentierte "totale Missverhältnis" hin zwischen Prießens jetziger und neuer Wirkungsstätte. Der Einzugsbereich der Pfarrgemeinde St. Willibrord Kleve habe 13.646 Einwohner. Das feste Seelsorgeteam umfasse drei Pastöre, einen emeritierten Pastor, einen Pater, zwei Pastoralreferentinnen und drei Diakone. Für den Einzugsbereich der Pfarrgemeinde Kerken mit 13.262 Einwohnern sei ein Seelsorgeteam aus einem Pastor, einem Pater und einem Diakon zuständig.

Auswirkungen hat der Weggang Prießens auch auf die Nachbargemeinde St. Martinus Rheurdt. Dort muss Pfarrer Norbert Derrix zurzeit ohne Pastoralreferentin und Kaplan auskommen. Mit Prießen verliert er bald einen Kollegen, der zumindest früher ab und zu mal einspringen konnte. "Im vergangenen Dreivierteljahr konnten die Amtskollegen aus Kerken uns ohnehin hier nicht mehr unterstützen", sagt er. Allerdings werde Prießen noch bis August sein jetziges Amt weiterführen. "Im Falle der Pfarrei in Wachtendonk war die Stelle ja quasi von einem Tag auf den anderen nicht mehr besetzt", erwähnt er den Weggang von Robert Winschuh. In den Pfarreien von Geldern und Straelen sei die Situation nicht ganz so angespannt, aber auch dort sind die Seelsorger stark ausgelastet und können niemanden entbehren.

Von konkreten Folgen in Kerken berichtet Weinem. In einem Gemeindeteil konnte aus zeitlichen Gründen der Blasiussegen nicht persönlich mit Hand auflegen und Segen, sondern nur vom Altar aus als Segen vollzogen werden. In der nächsten Gemeinde musste die Messe sehr gestrafft werden. In der abschließenden Gemeinde konnte die Messe erst mit nicht geringer Verzögerung beginnen.

Die neue Personalentscheidung bewegt nun die Pfarrer selber, sich bei den Vorgesetzten über die Situation zu beklagen. Derrix: "Wir als leitende Pfarrer der umliegenden Gemeinden haben uns nun zusammengesetzt und entschieden, dass wir das Gespräch mit unserem Weihbischof Rolf Lohmann suchen wollen." Für Wolfgang Weinem ist klar: "Kriegen wir nur einen Priester als Nachfolger, wird auch der irgendwann aufgebraucht sein." Der enorme Verwaltungsaufwand in Großpfarreien lasse die Seelsorge leiden. Seelsorge heiße nicht nur verwalten. "Es geht darum, die Menschen wieder hin zur Kirche zu bekommen."

(RP)
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