Geldern Humperdincks Jahre am Niederrhein

Geldern · Der Autor Tim Michalak und der Musikwissenschaftler Christian Ubber haben eine Biografie herausgebracht.

 Das Cover des Buches "Humperdinck".

Das Cover des Buches "Humperdinck".

Foto: Verlag

Einer der bekanntesten deutschen Komponisten lebte und schaffte über Jahre hinweg in Xanten, und kaum etwas in der Stadt erinnert an ihn: Engelbert Humperdinck fristet, obwohl seine Oper "Hänsel und Gretel" das meistgespielte Bühnenwerk in der Welt ist, in der niederrheinischen Domstadt eher ein Mauerblümchendasein.

Zu diesem Schluss kommt eine gerade erschienene Biografie über sein Leben und Werk. Der Xantener Tim Michalak und Co-Herausgeber und Musikwissenschaftler Christian Ubber haben jetzt den ersten Band vorgelegt über einen Romantiker, der, in Siegburg geboren, lange Zeit mit den Eltern im ehemaligen Lehrerinnenseminar - dem heutigen Rathaus - lebte und auch später immer wieder dorthin zurückkehrte. "Die erste Biografie seit 40 Jahren", sagt Michalak. Das Buch mit Aufsätzen verschiedener Autoren entstand in enger Zusammenarbeit mit der Engelbert-Humperdinck-Gesellschaften und -Musikwerkstatt in Boppard und der Engelbert Humperdinck Stiftung Siegburg.

Im Kulturleben der Stadt sei es, schreibt Michalak, anscheinend wenig bedeutend, dass Humperdinck längere Zeit in Xanten gelebt habe. Nur eine Straße und das frühere Förderzentrum seien nach dem Musiker benannt. "Man hat den Eindruck, dass damit das Erinnern an den ehemaligen prominenten Bürger erschöpft ist." Selbst an dem ehemaligem Wohnhaus - dem Rathaus - gebe es keine Hinweis- oder Gedenktafel. Kein böser Wille, betont der Autor, eher die Folge, dass sich die Forschung des Themas bislang nicht angenommen hat.

Dabei hatte Humperdinck nicht nur zehn Jahre in Xanten gelebt, sondern hier entstanden auch einige seiner Werke. Hier komponierte er Lieder, hier verfasste er Teile der Ballade "Wallfahrt nach Kevelaer", hier bearbeitete er für den berühmten Richard Wagner den Parsifal für die Aufführungen in Bayreuth. Auch nach seinem Wegzug kehrte er immer wieder für längere Aufenthalte zurück. Humperdinck liebte die Region und ihre Stille. Sie inspirierte ihn beim Komponieren.

Und nicht nur ihn, sondern auch seine Schwester Adelheid, die später das Libretto für "Hänsel und Gretel" schreiben sollte. Bei Ausflügen in die Umgebung hörten sie im Grenzdyck nahe des Gamerschlagshofs in Birten Melodien und Volksweisen, die sich später in der Kinderoper wiederfinden. Im Gegensatz zum Märchen der Gebrüder Grimm ist der Vater von Hänsel und Gretel ein Besenbinder - eine Anlehnung an den Beruf, den damals viele Menschen im benachbarten Bönninghardt ausübten. Michalak: "Vielleicht inspirierten auch die ausgedehnten Wälder hier wie Hees, Latzenbusch und Reichswald mit ihren tradierten Hexen-Sagen?"

Trotzdem hatte Humperdinck ein ambivalentes Verhältnis zu seiner Heimatstadt. Dort lernte er zwar seine Liebe Johanna Becker kennen, aber 1884 lehnte er eine Reise aus München an den Niederrhein zu den Eltern ab. Wahrscheinlich aus Angst, wieder unbequeme Fragen zu seiner beruflichen und familiären Zukunft zu hören zu bekommen. Die Eltern wünschten für ihren Sohn ein stetiges, sesshaftes Leben, statt durch die musikalischen Zentren zu reisen.

"Engelbert Humperdinck - Ein biografisch-musikalisches Lesebuch" ist im Anno-Verlag erschienen, hat 208 Seiten und kostet 16,95 Euro.

(RP)
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