Geldern Goldies mit "Schrei nach Liebe": Von der Werkstatt in den Pop-Himmel

Geldern · Unglaublich: Die "Goldies" aus Geldern gehen mit dem Anti-Nazi-Song "Schrei nach Liebe" bei Youtube durchs Dach: 400.000 Zugriffe verzeichnet das Lied bei der Online-Video-Plattform weltweit. Die Redaktion besuchte den Ü-70-Chor.

 In der Ex-Werkstatt von "Kleinbielen am Markt" proben die "Goldies" mit Gitarrist Marcel Grothues und Chorleiterin Rebecca Könen. Mit "Im Frühtau zu Berge" hat der Gesang der couragierten Senioren allerdings nichts zu tun.

In der Ex-Werkstatt von "Kleinbielen am Markt" proben die "Goldies" mit Gitarrist Marcel Grothues und Chorleiterin Rebecca Könen. Mit "Im Frühtau zu Berge" hat der Gesang der couragierten Senioren allerdings nichts zu tun.

Foto: Seybert, Gerhard

Dass hier früher mal Fahrräder repariert wurden, lässt sich nur noch erahnen. Denn die alte Werkstatt am Gelderner Markt ist längst das Domizil der "Goldies" geworden, die hier die Grundlage für die neuesten Erfolge legen. Zwar konnte die rüstige und immer gut gelaunte Truppe in der Vergangenheit schon öfter auf sich aufmerksam machen. Das Land NRW hat das Projekt der Musikschule "Plug & Play" bereits gefördert — wohl auch weil hier Senioren ermutigt werden, aktiv am kulturellen Leben teilzunehmen. Beim WDR sind die 20 Sängerinnen und die drei Sänger um Leiterin Rebecca Könen und den Gitarristen Marcel Grothues zum "Chor der Herzen" gekürt worden. Und über mangelnde Auftrittsangebote können sich die "Goldies" auch nicht beklagen.

Doch circa 400.000 Clicks in wenigen Tagen bei Youtube, wo weltweit jedermann das Video mit dem Coversong "Schrei nach Liebe" von den Ärzten betrachten konnte, das können einige der Senioren kaum fassen. "Ich habe irgendwann mal zur Sicherheit erklärt, dass Geldern circa 35.000 Einwohner hat. Und dass das gut Elffache an Einwohnern sich das Video auf dem PC angesehen hat. Weltweit", erklärt Rebecca Könen, die weiß, dass ihre sympathischen Schützlinge nicht alle online sind. Sondern jetzt bereits auf ihren Stühlen in der Ex-Werkstatt, wo Marcel Grothues das Intro von "Schrei nach Liebe" auf der Gitarre anspielt.

Das Besondere: Die Senioren positionieren sich mit dem 23 Jahre alten Lied, das aus trauriger Aktualität wieder auf Platz eins der Charts gelandet ist, eindeutig gegen Fremdenhass. Im Refrain vergessen dann (fast) alle ihre gute Kinderstube. "Arschloch!" lautet die klare Botschaft an rechte Dumpfbacken, deren aktuellen Vormarsch im Lande hier niemand etwas Positives abgewinnen kann. Mit der Zeile "Deine Springerstiefel sehnen sich nach Zärtlichkeit" machen sich die Sänger dann noch über den braunen Mob lustig. "Arschloch! Arschloch! Arschloch!" heißt es gegen Ende im Dreierpack, bevor Grothues den Song leise ausklingen lässt. Eine Mischung aus Stolz und Zufriedenheit macht sich im Raum breit.

Wohl auch, weil die Truppe meilenweit von "Hoch auf dem gelben Wagen" oder "Im Frühtau zu Berge" entfernt ist. "Die hatten einfach Bock auf etwas Anderes, etwas Neues", erinnert sich Rebecca Könen an den Info-Tag, als Werbung für die Idee eines Seniorenchor-Projektes gemacht wurde, der deutsche Rock-Songs singt. Nena, Lindenberg oder öfter mal die Ärzte befinden sich daher im Repertoire. Und aktuell wird an einem Song von Johannes Oerding ("Für immer ab jetzt") gearbeitet. Der hat derzeit zwar mehr als 580.000 Klicks. Aber wenn die "Goldies" das jetzt anpacken . . .

(luk)
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