Mehr als 700 Anzeigen Schlüsseldienst-Betreiber in U-Haft

Geldern · Verdacht auf Betrug: Ein bekannter 56-jähriger Gelderner ist am Mittwoch verhaftet worden, ebenso ein 37-jähriger Weezer. Es laufen Ermittlungen gegen viele Mitarbeiter. Es gab Durchsuchungs-Aktionen in Deutschland und Österreich.

Polizei, Zoll und Staatsanwaltschaft gestern bei der Durchsuchung von Geschäftsräumen in Geldern. Ein teures Auto wird abgeschleppt.

Polizei, Zoll und Staatsanwaltschaft gestern bei der Durchsuchung von Geschäftsräumen in Geldern. Ein teures Auto wird abgeschleppt.

Foto: Heinz Spütz

In ganz Deutschland sollen Menschen durch Schlüsseldienste übel übers Ohr gehauen worden sein. Und die Zentrale für diese Machenschaften saß offenbar in Geldern - wieder einmal. Am Mittwoch durchsuchten Polizei, Zoll und Staatsanwaltschaft 16 Büros und Wohnungen im In- und Ausland. Zwei mutmaßliche Hintermänner wurden in Untersuchungshaft genommen: ein bekannter, einschlägig vorbestrafter, 56-jähriger Gelderner und ein 37-Jähriger aus Weeze.

Die beiden sollen "von 2007 bis heute bundesweit über zahlreiche Firmenverflechtungen ein auf Betrug ausgerichtetes Schlüsseldienstunternehmen aufgebaut und betrieben haben", heißt es in der Mitteilung der Behörde. Ihre Monteure hätten für "Notöffnungen" von Türen systematisch überhöhte Rechnungen geschrieben, Arbeiten durchgeführt, die gar nicht nötig waren, und dabei sogar Schlösser beschädigt, um sie völlig überteuert wieder instand zu setzen.

700 Strafanzeigen aus ganz Deutschland

Dabei wurde den Kunden offenbar vorgegaukelt, es jeweils mit örtlichen Handwerksunternehmen zu tun zu haben. Tatsächlich aber war die Telefonzentrale in Geldern, die Handwerker kamen aus anderen Orten, und die Kunden mussten für weite Anfahrtswege bezahlen. "Da fängt das betrügerische Handeln schon an", so Günter Neifer von der Staatsanwaltschaft in Kleve.

Seine Behörde geht derzeit 700 Strafanzeigen aus ganz Deutschland nach, die Zahl könnte noch steigen. Allein das mache schon das Ausmaß der Vorwürfe deutlich, meinte Neifer: "Das ist eine Menge Arbeit", sagte er. "Wir haben einen erfahrenen Wirtschafts-Staatsanwalt, der sich der Sache angenommen hat." Es müsse für jeden bekannten Einzelfall geprüft werden, ob ein Betrug vorliege: "Das ist eine Logistik-Schlacht für den Staatsanwalt."

Nicht nur die beiden mutmaßlichen Haupttäter haben die Ermittler im Visier, sondern auch mögliche Mittäter wie Mitarbeiter und Monteure. Insgesamt gibt es 75 weitere Beschuldigte. Polizei, Steuerfahndung und Zoll durchsuchten neun Geschäfts-Objekte und sechs Privatwohnungen in Deutschland, die meisten von ihnen im Kreis Kleve, sowie eine Wohnung in Österreich. "Es ist umfangreiches Material beschlagnahmt worden", so Neifer.

Wie genau die Firmenstruktur des Weezers und des Gelderners ausgesehen hat, sei Gegenstand der Ermittlungen, führte er weiter aus. Man gehe derzeit davon aus, dass einer der beiden als "Strohmann" eingesetzt worden sei, während der andere als tatsächlicher Geschäftsführer der beteiligten Unternehmen fungierte.

Hauptverdächtige sind polizeibekannt

Die Ermittler sind der Sache offenbar schon seit Jahren auf der Spur. Der beschuldigte 56-jährige Gelderner war im Jahr 2004 wegen Betrugs und Steuerhinterziehung zu vier Jahren Haft verurteilt worden. Damals gab es ähnliche Vorwürfe wie heute: Es seien Wucherpreise genommen und unnötige Arbeiten durchgeführt worden, es sei unnötig viel Material verbraucht und in Rechnung gestellt worden, Kunden wurden über Anfahrtswege getäuscht.

Im Jahr 2008 wurde bekannt, dass der 56-Jährige wieder in der Branche aktiv war. Kompliziert war und blieb die Abwicklung des als insolvent gemeldeten Unternehmens, das er zuvor über Jahre geführt hatte: Der Insolvenzverwalter konnte kaum die bestehenden Besitzverhältnisse an vorhandenen Geräten klären. Im Jahr 2013 bestätigte die Staatsanwaltschaft gegenüber der Rheinischen Post, dass sie erneut mit Ermittlungen befasst sei.

(szf)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort