Geldern Für mehr Gerechtigkeit in der Schulbank

Geldern · Nach einem Jahr lässt sich sagen: Das Schulmaterialmagazin der Tafel ist mehr als nötig in Geldern. In diesem Sommer geht es in die zweite Staffel. Für ihre Kinder überwinden Eltern ihre Scham. Chancengleichheit ganz praktisch.

 Ein Name als Motto: Irmgard Helfrich hilft Alfred Mersch beim Einräumen der Schulsachen, bevor der große Ansturm kommt.

Ein Name als Motto: Irmgard Helfrich hilft Alfred Mersch beim Einräumen der Schulsachen, bevor der große Ansturm kommt.

Foto: Gerhard Seybert

Ordentlich liegen die Klebestifte, Hefte, Stifte, Lineale und Zirkel in blauen Boxen des Schulmaterialmagazins am Gelderner Bahnhof. Auf den großen Ansturm ist das Team um Alfred Mersch von der Gelderner Tafel vorbereitet. Denn einen Ansturm, der wird vor Ablauf der Sommerferien erwartet. "Hunderte" seien es gewesen, die das Angebot in Anspruch genommen haben, ihre Kinder mit notwendigem Schulmaterial einzudecken. Irmgard Helfrich und die anderen Helfer schauen schon lange nicht mehr auf die Uhr, wenn sie im Schulmateriallager ihren ehrenamtlichen Dienst leisten. "Beim praktischen Umsetzen kommen wir fast an unsere Grenzen, von der Zeit, nicht vom Material", sagt Mersch über die Masse an Menschen, die auf das Schulmateriallager in Geldern angewiesen sind. "Zu sehen, wie Familien kommen, deren Kinder schüchtern um die Ecke kommen, und am Ende gehen diese Kinder stolz mit einem Ranzen und einen Packen Hefte unter dem Arm raus, diese Kindergesichter, dieses Glücksgefühl ist für mich Belohnung genug", sagt die Ehrenamtliche Irmgard Helfrich über ihre Motivation.

Leicht fällt es aber nicht allen, das kostenlose Angebot anzunehmen.

Die Türen des Schulmaterialmagazins sind verspiegelt. "Damit wir unser Logo darauf platzieren konnten", sagt Mersch. Meint damit aber auch: "Es geht keinen was an, wer hier drin ist. Wir stellen uns nicht zur Schau." Denn Armut, dass ist immer noch ein Thema, das Nicht-Betroffene neugierig beäugen, und die es betrifft, schlagen die Augen nieder. Da ist es gut, wenn der nächste Schritt hinter der Tür zu Irmgard Helfrich führt oder einer der anderen Ehrenamtlichen. Helfrich empfängt diejenigen, die nicht viel haben, mit einem Lächeln. Und dass, obwohl sie erst einmal ein bisschen Bürokratie erledigen muss. "Ich stelle zunächst die Bedürftigkeit fest", sagt sie. Die Mitarbeiter im Hintergrund halten auf Listen fest, dass einige Dinge, wie Füller oder Zirkel, nur einmal im Jahr ausgegeben werden. Die Buchführung wird gemacht, damit kein Missbrauch möglich ist. "Wir verwalten ja auch nur Spenden", erklärt sie. "Deswegen gehen wir mit dem Material auch sorgsam um." Gekauft wird das aus Spendengeldern.

"Wir sind den Menschen zutiefst dankbar, dass sie uns das alles durch ihre Spenden ermöglichen", sagt Mersch. Und er dankt auch noch der Stadt Geldern, die den Raum mietfrei zur Verfügung stellt. "Wir leisten ja nur einen ganz kleinen Beitrag, indem wir das Arbeitsmaterial, das die Kinder in der Schule brauchen, zur Verfügung stellen", sagt Mersch bescheiden. "Das führt nicht zum Abitur, aber es erleichtert." Mersch erzählt begeistert von der Einsatzfreude der Eltern. "Man muss auch wissen, dass Familien und auch Alleinerziehende, die mit der Not leben müssen, ihre Kinder fördern. Das erfahren wir direkt in persönlichen Gesprächen." Mersch erzählt nur zwei Beispiele von vielen. Da ist die alleinerziehende Mutter von sechs Kindern, die drei ihrer Kinder zur höheren Schule schickt und der Vater von drei Töchtern im Alter von 10 bis 14 Jahren, die alle auf das Gymnasium gehen. Mit den Sachen aus dem Schulmateriallager soll zumindest auf der Schulbank die Not nicht zu erkennen sein. Deswegen gibt es Markenware.

"Ich freue mich, dass dieser Dienst so angenommen wird und wir soviel positive Resonanz von den Eltern erfahren", lautet das Resümee von Mersch nach einem Jahr.

(RP)
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