Christian Werner "Es gibt Spielraum nach oben"

Geldern · Der evangelische Geistliche aus Straelen über das ökumenische Miteinander im Jahr eins nach dem Reformations-Jubiläum. Es bestehe eine Gemeinschaft im Glauben, die einen sehnsüchtig mache.

Nach dem Jubiläumsjahr "500 Jahre Reformation" drängt sich der Eindruck auf, das Miteinander der christlichen Konfessionen rutsche wieder an den Rand. Eine falsche Wahrnehmung?

Christian Werner Viele Christenmenschen aus beiden Konfessionen haben sich im Jubiläumsjahr ökumenisch begeistert. Einige zum ersten Mal. Aber gleichzeitig wurde auch deutlich, dass es immer noch viele Katholiken und viele Evangelische gibt, die sich ganz eisern nicht für den anderen interessieren. Ich finde das sehr schade. Denn im Blick auf die Zukunft müssen wir doch aufeinander zugehen. Konfessionelle Grabenkämpfe gehören ins vorige Jahrhundert. Ich mache die Beobachtung: Wenn die Tochter einer katholischen Familie einen evangelischen Mann heiraten möchte oder umgekehrt, kommt etwas ökumenisch in Bewegung.

Wie entwickeln sich die ökumenischen Bemühungen aus Ihrer Sicht hier am Niederrhein?

Werner Wir müssen dran bleiben. Weil wir als Evangelische hier am Niederrhein nur ein Sechstel der Bevölkerung ausmachen, kann man schon mal über uns hinwegsehen. Aber dass wir ökumenisch schon so viel erreicht haben, spricht auch für die Offenheit der katholischen Seite. Da können wir nur dankbar sein. Hinter die ökumenischen Erfahrungen des Reformationsjubiläums können wir alle nicht zurück.

Haben sich denn zwischen den Seelsorgern ökumenische "Partnerschaften" gebildet, die das Thema vorantreiben?

Werner Offizielle ökumenische Partnerschaften können Gemeinden miteinander bilden. Das haben wir hier noch nicht geschafft. Aber wir sollten sie mutig auf den Weg bringen.

Welche Rolle spielt die gerade wieder angelaufene ökumenische Predigtreihe zur Fastenzeit in Straelen und Wachtendonk?

Werner Was sich auch immer ökumenisch ereignet, viele sollten mit dabei sein. Ich hatte selber den ersten Predigtgottesdienst. Von fast 20.000 Christen beider Konfessionen in Straelen und Wachtendonk kamen nur 90 in beide Gottesdienste. Da gibt es noch Spielraum nach oben. An den kommenden Sonntagen kann es nur noch besser werden...

Werden innerhalb der evangelischen Kirchengemeinden Strategien zur Forcierung der Ökumene entworfen? Und wie sehen die aus?

Werner Wir feiern weiter unsere Gottesdienste. Und da kommen oft viele Katholiken. Vor zwei Wochen beim Gottesdienst "anders" mit 185 Besuchern waren wieder die meisten katholisch. Das ist dann keine offizielle Ökumene. Aber Gemeinschaft im Glauben, die einen sehnsüchtig macht.

Werden Sie die vollständige Einheit von Katholiken und Protestanten im Amt noch erleben?

Werner Ich habe einen Einladungsprospekt zum Katholikentag nach Münster im Mai bekommen mit fünf bekannten Persönlichkeiten vorne drauf. Drei davon sind evangelisch. Wenn der Katholikentag mehrheitlich mit evangelischen Persönlichkeiten wirbt, dann nährt das meine Hoffnung auf eine noch stärkere Einheit in der Verschiedenheit. Eine vollständig organisierte Einheit werde ich wohl nicht mehr erleben. Aber darauf zu hoffen und darum zu ringen, kann mir keiner verbieten. Vorgestern war ich als evangelischer Pfarrer wieder bei der Probe des Chores und der Band der etwas anderen Messe der katholischen Gemeinde. Wer singt, ist Gott näher. So ist vollständige Einheit.

MICHAEL KLATT STELLTE DIE FRAGEN.

(RP)
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