Geldern Eine Facebook-Idee wird zur Hilfsaktion

Geldern · Bürger haben gemeinsam ein Spenden-Projekt in einem Rewe-Markt initiiert. Kunden können Pakete für Flüchtlinge kaufen. Das Besondere daran: Die meisten der Akteure kennen einander gar nicht - sie hatten nur das gleiche Ziel.

Geldern: Eine Facebook-Idee wird zur Hilfsaktion
Foto: gerhard seybert

Alles begann Samstagabend mit einem Eintrag in der öffentlichen Facebook-Gruppe "Du bist humorvoller Gelderner, wenn. . ." Einer der Administratoren war in Hamburg über eine Spendenaktion in einem Supermarkt gestolpert. Sabine Wiegel, Mitglied der Gruppe, erinnerte sich, dass im Rewe-Markt, in dem sie immer einkauft, so etwas ähnliches schon mal für Bedürftige getan wurde. Viele Nutzer mischten sich ein, es wurde munter diskutiert. "Und irgendwann hab' ich gesagt: Ja, machen wir's doch einfach. Ich gehe Montag zu Rewe", sagt Sabine Wiegel.

Gesagt, getan. Am Montag wanderte sie mit der Idee ins Geschäft. Die Filialleiterin Andrea Boehme sagte zu: Bis Mittwoch könne man genug Ware geordert haben. Und plötzlich ging alles ganz schnell. Aus der Gruppe heraus entwickelte sich enorme Dynamik.

Mitglied Thomas Mill erklärte spontan, er werde eine Website entwerfen - das könne doch für mehr Akzeptanz und Aufmerksamkeit sorgen. Er entwarf ein Logo, sicherte die Domain "www.einkaufen-helfen.de" und bastelte in Windeseile einen professionellen Auftritt. Immerhin ist er gelernter Webdesigner, "und die Kosten für eine Homepage halten sich ja heutzutage im Rahmen", sagt er. Der Administrator mit dem Profil "Mark John" entwarf Plakate, ließ sie in einem Copyshop drucken und schrieb an den Texten für die Website mit. Andere Mitglieder kündigten an, weitere Supermärkte anzusprechen.

Mittwoch packten die Mitarbeiter in der Rewe-Filiale Tüten mit Hygieneartikeln, die in den Flüchtlingsunterkünften gebraucht werden: Deo, Zahnpasta, Zahnbürsten, Duschgel und dergleichen. Fünf Euro kosten die Taschen. Eigentlich sind sie ein bisschen mehr wert: "Den Rest steuern wir dann bei", sagt Filialleiterin Boehme. 30 Beutel hatte sie Mittwoch vorrätig, gestern waren schon fast alle ausverkauft. Für die kommende Woche wird jetzt neue Ware bestellt.

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Große Hilfsbereitschaft am Dortmunder Hauptbahnhof

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Foto: dpa, mjh

Die Kunden stellen die Tüten hinter der Kasse in einem Spenden-Bereich ab, später bringt die Caritas die Sachen zu den Flüchtlingsunterkünften. Auch dieses Arrangement ist auf dem kurzen Dienstweg entstanden: Sabine Wiegel ist Lehrerin und hatte wegen einer Hilfsaktion ihrer Schule gerade Kontakt aufgebaut. Über Bewunderung für ihr Engagement ist sie peinlich berührt. "Ich hab' doch nur Rewe gefragt - mehr nicht", sagt sie. Andere hätten ja viel mehr getan. "Was daraus geworden ist, das ist natürlich bombastisch" - aber ihr Verdienst sei das ganz sicher nicht.

Die Akteure sind ganz verschieden, aber ihre grundlegende Motivation ist ähnlich. "Ich habe einfach gedacht, ich muss was tun, und habe in der Gruppe viele Mitstreiter gefunden", sagt Sabine Wiegel. Rewe-Filialleiterin Andrea Boehme stellt offen fest, dass die Sache auch ein gutes Aushängeschild für ihr Geschäft ist. Ihr erster Antrieb sei aber simpler: "Geholfen werden muss ja."

Website-Inhaber Thomas Mill wollte "was Gutes tun für Geldern", erklärt er. Oder auch für andere Städte. Auf der Homepage gibt es den Reiter: "Einkaufen und helfen in meiner Nähe". Bis jetzt steht da nur die Adresse des Gelderner Rewe-Marktes. Aber die Sache könnte ja wachsen, meint Mill: "Vielleicht über die Grenzen von Geldern hinweg."

Viele Einzelheiten sind noch nicht wirklich geregelt. Wie lange die Aktion läuft, wie gut sie ankommen wird oder welchen Aufwand die Sache für den Laden bedeutet, all das weiß keiner. Aber dass Menschen Ideen sammeln und so erfolgreich Hand in Hand arbeiten, obwohl die meisten von ihnen sich im wahren Leben gar nicht kennen, das beeindruckt alle Akteure. "Total faszinierend", sagt Administrator "Mark John": "Man stellt was zur Diskussion, und dann wird so eine Idee geboren." Thomas Mill stellt fest, dass er viel dazugelernt hat. "Vor vielen Jahren habe ich Facebook immer abgelehnt: Was ist das für'n Quatsch, das braucht kein Mensch." Und Sabine Wiegel ist glücklich über die Gemeinschaftsarbeit. "Ich kenn' die alle ja gar nicht", sagt sie über ihre Mitstreiter. "Aber mein Gott, wie schön, dass es euch gibt."

(szf)
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