Geldern Die letzten Töne vor dem Jahreskonzert

Geldern · Der Musikverein Walbeck gibt noch einmal richtig Gas. Für Dirigent Leo Beckers ist es wie die Vorbereitung auf einen Wettkampf. Ein Besuch bei der Probe, stellvertretend für alle Vereine, die alles geben, um die Zuhörer zu begeistern.

Es ist kurz nach 20 Uhr. Der Schlagzeuger ist schon in seinem Element, und auch Trompetenklänge dringen durch den Saal nach draußen. Dirigent Leo Beckers sitzt kerzengerade auf einem Barhocker, hinter ihm sind Stühle aufeinander gestapelt, vor sich hat er Notenblätter. Es ist Probenabend im Obergeschoss der Gaststätte "Haus Eyckmann" in Walbeck.

Der große Tag ist nicht mehr weit. Der Tag des Jahreskonzerts vom Musikverein Walbeck. Wenn alle in ihrer Uniform auf der Bühne in der Aula des Lise-Meitner-Gymnasiums sitzen, wird von dem, was an Proben, Zeit und Zweifeln dahintersteckt, nichts mehr zu spüren sein. So wie bei allen anderen Orchestern, die viel investieren, um dem Publikum etwas Außergewöhnliches zu bieten.

Hans-Peter Gooren wird beim Konzert die Moderation übernehmen. "Im Prinzip ist das die Hauptveranstaltung des Vereins. Unsere Musik vor ernsthafter Kulisse zeigen zu können, das ist schon eine andere Hausnummer", sagt er. Die Vorbereitungen unter Dirigent Beckers sieht er sportlich. "Er hat eine Methode wie bei Wettkampfathleten. Das Tempo wird immer gesteigert." Beckers findet sich in der Beschreibung durchaus wieder. "Man muss rausholen, was drinsitzt. Halbe Arbeit lohnt nicht. Das bringt auch für die Zuhörer nichts", sagt der Dirigent. Er höre sehr genau, wer zu Hause übt und wer nicht. Wenn jemand seinen Part nicht spielen kann, werden die Noten gestrichen oder jemand anderes übernimmt. Das komme aber nicht oft vor, sagt Beckers und fügt ein "hoffentlich" an. Das Kribbeln vor dem großen Auftritt ist spürbar. Die symphonische Musik verlange den Musikern alles ab, sagt Gooren.

Glöckchenrasseln erklingt. Beckers zeigt von seiner Position am improvisierten Dirigentenpult: lauter. Glöckchenrasseln zum Zweiten. Schnell wird klar, es handelt sich um den Ohrwurm von Wham, "Last Christmas". Erstaunlicherweise klingt das Stück plötzlich musikalisch hochwertig. Die Trompeten reißen es raus aus der Kitsch-Ecke. Ob es dem Dirigenten gefällt, ist schwer zu sagen. Er zeigt sein Pokergesicht. Konzentriert schaut er auf die Notenblätter vor sich. Plötzlich ein Kopfschütteln. "Ihr müsst genau im Takt spielen. Di-da-di-da", gibt Beckers vor. Whams Hit gleitet in das nächste Lied über. "War is over" schießt es dem Zuhörer durch den Kopf, John Lennon und Yoko Ono lassen grüßen. Als nächstes summt ein "The angels sing" musikalisch durch den Raum.

Am Ende des weihnachtlichen Medleys macht sich allgemeines Geraschel breit, die nächsten Liedzettel werden auf die Notenständer gelegt. "We are the world" steht oben drüber. Der Anfang erinnert an Alphörner und weniger an Michael Jackson. Der Dirigent schließt kurz die Augen. Ganz leise, langsam setzt das Schlagzeug ein. Das Lied, so oft im Radio gehört, klingt irgendwie anders. Beckers scheint zufrieden, er dirigiert weiter, blättert zum nächsten Notenblatt um. Sein Pokergesicht löst sich auf zu einem breiten Grinsen.

Vor der Pause bleibt sogar noch Zeit für einen ausgedehnten Tusch für das Geburtstagskind in der Musikerrunde. Nach der Pause: Blätter rascheln, das nächste Stück steht an. "Frozen" aus "Die Eiskönigin". Während die Bläser ihren Part spielen, wartet der Mann an den Pauken auf seinen Einsatz. Die Dame mit dem Saxofon wippt im Takt mit. Das meinte Beckers, als er sagte, die vielen Proben seien gut für den Zusammenhalt. Kurz vor dem großen Auftritt sieht man sich öfter. Ein ganzer Probentag wurde anberaumt. Zusätzlich zur zweistündigen Probe in der Woche ist eine Stunde Satzprobe angesetzt.

Insgesamt 50 Musiker sind im Musikverein Walbeck dabei. Bei der vergangenen Probe fehlten zehn. "Lieber heute als beim Konzert", sagt der Vorsitzende Heinz-Josef Heyer. Er spielt die S-Tuba. "Das ist auch schön", sagt er noch, bevor "Concerto D'Amore" angestimmt wird. Die Besucher des Konzerts erwartet ein Ohren- und Augenschmaus, weil die unterschiedlichsten Instrumente zum Einsatz kommen, unter anderem kleine Kästchen und klingende Schellen. Ohren und Augen offen halten lohnt sich.

(RP)
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