Gelderland Der schnelle Tod der Rosskastanie

Gelderland · Fallende Blätter sind im Herbst nichts Ungewöhnliches. Einen Baum hat es in diesem Jahr besonders erwischt. Das trockene Frühjahr, die Miniermotte und ein Bakterium setzen der Kastanie zu.

 Eine Allee von Rosskastanien, die schon deutlich Blätter verloren hat.

Eine Allee von Rosskastanien, die schon deutlich Blätter verloren hat.

Foto: Bimo

Die Herbstidylle trügt. Dass die Kastanie schon völlig ohne Blätterkleid dasteht, ist ungewöhnlich. Baumpfleger Stefan Artmann spricht von "einer schlimmen Sache". Im Moment würden viele Rosskastanien so aussehen. Braune Blätter wie im Spätherbst, das sei das Zeichen der Miniermotte. Die braunen Flecken auf den Blättern stammen von den Larven, die sich durch die Blätter gefressen haben. "Die Motten hatten einen guten Start, wegen des warmen Frühjahrs", sagt Artmann.

"Die Miniermotte allein schwächt zwar den Baum, ist aber ein klassischer Parasit, der den Baum nicht umbringt", erklärt Monika Hertel, Vorsitzende vom Nabu im Kreis Kleve. Die Rosskastanie ist aber noch einer ganz anderen Bedrohung ausgesetzt, dem Bakterium "Pseudomonas syringae pv. aesculi". "Das ist tödlich", sagt Hertel. Ob es sich um eine bakterielle Infektion handelt oder den Befall der Miniermotte, das müsse ein Sachverständiger beurteilen.

Baumpfleger Artmann kennt die Unterschiede und das Schadbild. "Bei Pseudomonas blättert die Rinde ab, es kommt zum Pilzbefall, der relativ schnell das Ende einläutet." Es können sich auch schwarze Schleimpunkte bilden mit Ausfluss, der am Stamm herunterfließt. Das Gelderland sei stark betroffen. "Ganze Alleen sind weggefallen", sagt der Baumpfleger und erinnert sich an die Rodung von 52 Kastanien im Tierpark Weeze (2014) und der Kastanienallee von St. Bernadin. "Natürlich ist uns das nicht leicht gefallen", sagt der Leiter der Wohnanlage St. Bernadin in Kapellen. Ein Dutzend Bäume wurden gefällt. Helga Kaczmarek vom Nabu-Naturschutzzentrum erinnert sich noch gut daran. "Ich habe Jahre um die Allee gekämpft", sagt sie. Gerade wenn man von Issum kam, war sie unübersehbar, die Bäume säumten den Weg zum ehemaligen Haupteingang der Wohnanlage. Die Allee war im Landschaftsplan als erhaltenswert erwähnt. Dennoch gab es kein Zurück. "Das Bakterium sorgt dafür, dass die Bäume früh vergreisen", erklärt Kacmarek. Ein Mittel dagegen gibt es noch nicht.

Baumpfleger Stefan Artmann verweist auf den wissenschaftlichen Artikel von Professor Dr. Dirk Dujesiefken und Diplom-Ingenieur Oliver Gaiser vom Institut für Baumpflege in Hamburg. In ihrem Artikel "Rosskastanie in Gefahr - Eine Krankheit breitet sich aus", schreiben die Experten, dass es gegen das Bakterium zurzeit weder Bekämpfungsmöglichkeiten noch -mittel gebe. "Aus diesem Grund ist es wichtig, eine genaue Diagnose durchzuführen, um die Krankheit nicht mit anderen, unproblematischen Auffälligkeiten zu verwechseln", heißt es dort.

Wegen der Folgen des Bakteriums verliert der Baum seine Standsicherheit, "dann wird man an der Säge nicht mehr vorbeikommen", drückt es die Vorsitzende des Nabu im Kreis Kleve, Monika Hertel, aus. "Wenn der Baum erst einmal geschwächt ist, auf öffentlichem Grund steht und andere gefährdet wie bei St. Bernadin", erklärt Helga Kaczmarek vom Nabu-Naturschutzzentrum, dann muss der Baum aus Sicherheitsgründen weichen. Denn bei einem kranken Baum kann der nächste Sturm dafür sorgen, dass dicke Äste herunterfallen und Schaden anrichten. Die Kastanienallee von St. Bernadin wurde durch Linden ersetzt. "Die fangen langsam an zu wachsen und es wird in 40 Jahren sicher ganz toll aussehen", sagt Kaczmarek. Ihr Mitgefühl gilt aber der Rosskastanie. Die Fällung in St. Bernadin ist nun fünf Jahre her. Eine Besserung für den Baum des Jahres 2005 ist nicht in Sicht. "Die Rosskastanie ist gebeutelt von allen Seiten", sagt die Nabu-Mitarbeiterin. Erst das trockene Frühjahr, dann die Moniermotte und noch das Bakterium. "In den vergangenen Jahren hat sie echt ein schweres Leben", sagt Helga Kaczmarek. Vor allem befürchtet sie, dass die Kastanie irgendwann völlig aus dem Landschaftsbild verschwindet. "Wenn die Kastanie immer mehr zu leiden hat, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass wir uns auf längere Sicht von ihr verabschieden müssen", befürchtet die Nabu-Mitarbeiterin. "Welche Stadt will sie denn noch pflanzen, auch wenn sie schöne Blüten und Früchte hat und nur weil die Kinder damit gerne spielen?"

(RP)
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