Issum Das Sevelener Platt darf nicht sterben

Issum · Beim Theaterabend der St.-Antonius- / St.-Hubertus-Bruderschaft kommt die Mundart noch einmal richtig groß raus.

Wer einem anderen mal so richtig die Meinung sagen will, der sollte es mal auf Sevelener Platt versuchen. Die Vorteile liegen für Anneliese Deckers klar auf der Hand: "Auf Platt sagt man vieles sehr viel direkter und trotzdem klingt es nicht so beleidigend."

Kleine Kostprobe gefällig? "Halt Do moal Din Mull", auf Hochdeutsch und höflich wäre das: "Komm, sei mal schön ruhig, rede nicht so viel." Oder jemanden etwas auf die "Schnuut" geben wollen, klinge noch vergleichsweise schön zum Hochdeutschen Pendant, finden auch Theo Deckers und Hans-Josef "Jüppi" Paulus. Sie alle sorgen dafür, dass die Sevelener Mundart nicht ausstirbt. Obwohl sie zugeben, dass es viel zu wenig Gelegenheiten gebe, sie im Alltag zu sprechen. Aber einen Abend lang spielt das Sevelener Platt die Hauptrolle, beim Theaterabend der St.-Antonius- / St.-Hubertus-Bruderschaft Sevelen. Dann geht es auf der Bühne zünftig zu und "De Gescheide" erzählen in bester Stammtischmanier, was sich alles im Hexendorf getan hat.

Zu fünft wird das Dorfleben aufs Korn genommen. "Mehr Gescheide hat Sevelen nicht", sagt Theo Deckers. "Gut, vielleicht fünfeinhalb." Das sagt er natürlich mit einem Augenzwinkern und auch bei den deftigen Ausdrücken auf Platt macht die Tonlage oder eben die Mimik den Unterschied, ob etwas ernst gemeint ist oder nicht. Wenn einer also als "Do bes enne Foulek" bezeichnet wird, muss derjenige sich keinen Kopf um eine Charakterschwäche als Faulpelz machen, wenn der andere dabei schmunzelt.

Manchmal ist aber nicht so recht klar, welches Wort das richtige ist, dann hilft ein Blick in den dicken Wälzer von Karl Dicks, das Vogteier Wörterbuch. Das Sprachgebiet zieht sich laut der abgebildeten Karte bis Tönisberg und Hartefeld. Issum kommt darin nicht vor. "Natürlich nicht, was haben wir denn mit Issum zu tun?", frotzelt Theo Deckers und hat Recht.

Im Mittelalter gehörte Sevelen zu einem anderen Verwaltungsgebiet als Issum, erklärt Paulus. Auch kirchlich waren beide getrennt. Sevelen gehörte zu Nieukerk und war stark katholisch geprägt. Und den Unterschied hört man auch in der Mundart. "Bei manchen Worten ist es erstaunlich, wie weit Issum und Sevelen auseinanderliegen", stellt Anneliese Deckers fest.

Sie ermutigt übrigens jeden, zum Mundart-Theaterabend zu kommen, auch wenn man die Sprache nicht beherrscht. Im Publikum gebe es genügend Menschen, die sich gerne als Übersetzer anböten und ganz nebenbei, ergebe sich der Sinn aus dem Zusammenhang. Ob es denn hilft, wenn man dem Niederländischen zugewandt ist? "Wenn dann dem Niederländischen Richtung Limburg", meint Theo Deckers.

Er hat übrigens in seiner Kindheit noch auf dem Schulhof Sevelener Platt gesprochen. Im Unterricht selbst wollten die Lehrer allerdings Hochdeutsch hören. An seine Kinder und Enkel hat er die Liebe zur Sevelener Mundart weitergegeben. In diesem Jahr tritt er mit drei Enkeln am Theaterabend auf. Und mit den "Norgewassenen" stehen auch Jugendliche auf der Bühne, die Platt sprechen. "Das Sterben von Platt aufhalten, das schaffen wir nicht", sagt er an Jüppi Paulus gewandt. "Ja, aber wenn man seine Heimat liebt, will man auch die Sprache sprechen", sagt der.

Eine Lanze dafür bricht auch der deutsche Sprachwissenschaftler und Spezialist für die Sprachen des Niederrheins, Georg Cornelissen. In seinem Vorwort zum Vogteier Wörterbuch von Karl Dicks schreibt er: "Der Dialekt - oder: die Mundart, das Platt, die drei Begriffe meinen am Niederrhein dasselbe - ist natürlich alles andere als eine minderwertige Sprachform; weder er selbst noch seine Sprecher verdienen ,Geringschätzung' oder der gar ,Verachtung'. Und auch deshalb ist es sehr zu begrüßen, wenn der dialektale Wortschatz in eigenen Lexika wie dem Vogteier Wörterbuch dokumentiert wird. Das haben die Dialektsprecher verdient."

Und weil es so eine schöne Sprache ist, hier noch ein paar Beispiele zum Lernen und Anwenden. "In dä Sack häs do Krinthe", diese Redewendung ("In diesem Sack hast Du Korinthen") kann man demjenigen entgegenschleudern, dem man sagen will, dass er da etwas völlig falsch verstanden hat. "Dän es ant gedoahn make" steht nicht allein nur für die Feststellung "Der stirbt bald", sondern kommt auch immer dann zum Einsatz, wenn jemand eine Menge Alkohol getrunken hat und sich gelinde gesagt, nicht mehr fit fühlt.

(RP)
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