Geldern CDU liest heimlich Mails mit

Geldern · Die Stadtverbandsspitze der Gelderner CDU hat die personalisierte elektronische Post der Fraktionsmitglieder ohne deren Wissen umgeleitet. Ein CDU-Mitglied hat jetzt Strafanzeige gestellt.

Gewinner und Verlierer der Kommunalwahl
2 Bilder

Gewinner und Verlierer der Kommunalwahl

2 Bilder

In der Gelderner CDU brodelt es: E-Mails an Fraktionsmitglieder, deren elektronische Adressen personalisiert mit dem jeweiligen Vor- und Nachnamen auf der Internetseite der Partei stehen, haben die jeweiligen Mitglieder nie direkt persönlich erreicht. Stattdessen wurden die Schriftsätze automatisch an die Stadtverbandsspitze geleitet — ohne Wissen der Fraktionsmitglieder, und ohne dass die Schreiber merken konnten, wer ihre Mails eigentlich liest.

CDU-Ratsmitglied Bernd Holz hat gegen die Stadtverbandsspitze — Stefan Wolters und Marianne Ingenstau — nun Strafanzeige gestellt.

"Das ist ein eklatanter Vertrauensbruch — vor allem dem Bürger gegenüber", sagt Holz. Schließlich habe niemand ahnen können, dass an ihn gerichtete — möglicherweise vertrauliche Mails — von der Stadtverbandsspitze gelesen werden. Auf der Internetseite ist nicht vermerkt, dass die Mails nicht etwa an die Privatadressen der Fraktionsmitglieder weitergeleitet werden, sondern in einem zentralen Postfach landen.

Durch Zufall entdeckt

Entdeckt hat Holz dies nur durch einen Zufall: Er hatte einem Bürger eine SMS geschrieben, dieser hatte seine Antwort dann nicht ebenfalls per SMS versendet, sondern per E-Mail an die Adresse bernd.holz@cdu-geldern.de. Daraufhin erhielt Holz die Mail von der Fraktionsvorsitzenden und stellvertretenden Stadtverbandschefin Marianne Ingenstau weitergeleitet — mit der Frage, um was es denn bitteschön dabei gehe. Holz ist entsetzt, dass er nicht informiert wurde, dass seine Mails "abgefangen und mitgelesen" werden.

"Das Vertrauen der Bürger und der Parteimitglieder ist nachhaltig geschädigt", sagt er. Dass er nie Mails über die CDU-Adresse weitergeleitet bekam, machte ihn nicht stutzig: "Ich dachte, in so einer kleinen Ortschaft wie hier in Walbeck nutzen die Bürger eben keine Mails, sondern sprechen mich direkt an. Hier kennt ja jeder jeden."

Auch andere CDU-Ratsmitglieder haben von der Zwangsumleitung ihrer Mails offenbar nichts gewusst, von "Stasi-Methoden" ist intern die Rede. Schon vor der Kommunalwahl habe er den Stadtverbandsvorstand auf das Problem angesprochen, sagt Holz, aber keine Reaktion erhalten. "Ich fordere eine lückenlose Aufklärung", sagt er. Es gehe ihm dabei nicht um sich, sondern um den Vertrauensverlust. "Es weiß ja niemand, was alles abgefangen wurde."

"Seit etwa einem Jahr"

Stadtverbands-Vize Marianne Ingenstau bestätigt auf RP-Nachfrage, dass es die Umleitung "seit etwa einem Jahr" gibt. Vorher seien die E-Mail-Adressen gar nicht aktiviert gewesen. Der Stadtverbandsvorstand habe sich "rechtlich schlau gemacht und glaubt nicht, dass es da Probleme gibt", so Ingenstau. "Demnach ist eine Mail wie eine Postkarte zu bewerten", sagt sie. Als Verletzung des Briefgeheimnisses im Sinne des Strafgesetzbuches gilt die unbefugte Öffnung eines verschlossenen Briefes.

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort