Straelen Auge in Auge mit den Trödeljägern

Straelen · RP-Redakteur als Händler auf dem Straelener Schnäppchenmarkt. Vom großen Ansturm am frühen Morgen und dem sanften Lächeln der Frauen. Und wie es am Ende in erster Linie darum geht, den Ballast zu reduzieren.

 Michael Klatt (rechts) und Tochter Anne schlugen auf dem Straelener Marktplatz ihren Verkaufsstand auf.

Michael Klatt (rechts) und Tochter Anne schlugen auf dem Straelener Marktplatz ihren Verkaufsstand auf.

Foto: Markus van Offern

Dieses Lächeln der Frauen. Sanft umspielt es ihre Lippen, als sie sich dem Tapeziertisch nähern, hinter dem sich der Schreiber als Händler versucht. Bald jedoch muss dieser erkennen, dass die freundlichen Blicke nicht ihm gelten. Sie heften sich auf die Waren, die auf einer Ecke der Holzplatte platziert sind. Sie sind an Halsketten und Ohrringen interessiert, diese Besucherinnen des Straelener Schnäppchenmarkts.

Für den Schreiber beginnt dieser viel früher als für die potenziellen Käuferinnen. Um kurz vor 7 Uhr klappt er seinen Tapeziertisch auf, direkt am Marktbrunnen. Ein guter Platz. Finden auch die Schnäppchenjäger. Kaum sind die ersten Kartons und Körbe geöffnet und um den Tisch gruppiert, schnellen Hände auf die Objekte der Begierde. "Wie teuer?", fragen die frühen Gäste, vermutlich professionelle Händler, die Wertvolles zu möglichst niedrigen Preisen abgreifen möchten. Wohl dem, der da mindestens zu zweit ist. Einer allein würde leicht den Überblick verlieren.

Nach dem ersten Ansturm erst mal häuslich einrichten: Campingstühle ausgeklappt, Käsebrote ausgepackt - Frühstück. Noch ist die offizielle Startzeit des Schnäppchenmarkts, 9 Uhr, nicht erreicht, doch schon nimmt der Besucherstrom spürbar zu. Es ist einfach ideales Wetter: Sonne, nicht zu warm, keine schweren Wolken in Sicht. Die ersten lächelnden Frauen nehmen Kurs auf Schreibers Marktstand. Kleidung und Schmuckstücke stehen bei ihnen ganz oben auf der Liste. Auch bei den Besucherinnen aus den nahen Niederlanden. Zu viert umlagern sie den Garderobenständer, fachsimpeln, bevor eine zu einer Bluse greift und sie anprobiert. "Jammer, zu klein", meint sie mit einem Blick zur Tochter des Verkäufers, die sich als Expertin um die "Frauenabteilung" kümmert.

Der Schreiber betreut eher die Bücherecke und Männersachen. Ein guter Bekannter hat es auf zwölf Pilsgläser mit dem Aufdruck "Iserlohner" abgesehen. Ganz klar, dass er die für einen Freundschaftspreis bekommt. Und obendrein noch Windlichter aus Grolsch-Bierflaschenhälsen mit Bügelverschluss. Da steht abends dem kühlen Genuss auf illuminierter Terrasse nichts mehr im Wege. Ein anderer Mann wird mit einem Computerkabel glücklich.

Eine Literaturfreundin deckt wenig später einen Skandal auf. Das Buch sei ja ganz schön, meint sie zu einem regionalhistorischen Schmöker. Doch die Landkarte darin findet sie gar nicht gut: Jedes Kaff am Niederrhein ist darauf verzeichnet, doch es fehlt - Straelen. Trotzdem nimmt sie das Druckwerk mit nach Hause. Kein Wunder, bei diesem Super-Schnäppchenmarkt-Preis.

Das Glockenspiel von der Sparkasse sendet fröhliche Melodien über den Marktplatz, passend zur Miene der allermeisten Schnäppchenmarkt-Besucher. Nur einige Kleinkinder quengeln, weil die Mama immer wieder was Schönes entdeckt und den Heimweg verzögert. Bis das Kleine die Tierchen aus Plastik sieht. "Mama, darf ich das Pferd da haben?" Dass der Händler-Novize bei solchem Blick aus Kinderaugen mit dem Preis noch etwas entgegenkommt, versteht sich.

Kurz nach Mittag beginnt an einigen Nachbarständen bereits der Abbau. Für den Schreiber heißt es jetzt: Ballast loswerden. Das Bücherregal hat glücklicherweise schon einen Abnehmer gefunden. Doch da liegt noch so mancher Wälzer auf dem Verkaufstisch, der auf keinen Fall wieder unter die heimischen Bücher soll. Doch nicht bei jedem Band gelingt der Verkauf. Macht nichts. Hinein in die Kisten und Körbe. Die haben wesentlich weniger Inhalt als beim Hinweg am frühen Morgen. Bis zum nächsten Mal wird noch einiges dazu gekommen sein.

(RP)
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