Norbert Spinrath - Bundestagsabgeordneter Der Spd Wunsch nach mehr Geschlossenheit

Erkelenz · Tihange und Eiserner Rhein. Bundestagswahl 2017, Geschlossenheit in der SPD, seine Arbeit und die eigene Zukunft. Spinrath nutzte einen Jubiläumsempfang der SPD-Landesgruppe in Berlin für eine politische Bestandsaufnahme.

 Bundestagsabgeordneter Norbert Spinrath (l.) stellte NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft beim Jubiläumsempfang der SPD-Landesgruppe aus NRW zwei Gäste vor, Harald Eifert (2.v.r., Vorsitzender Leichtathletikkreis Heinsberg) und Andreas Speen (Redaktionsleiter Erkelenzer Zeitung).

Bundestagsabgeordneter Norbert Spinrath (l.) stellte NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft beim Jubiläumsempfang der SPD-Landesgruppe aus NRW zwei Gäste vor, Harald Eifert (2.v.r., Vorsitzender Leichtathletikkreis Heinsberg) und Andreas Speen (Redaktionsleiter Erkelenzer Zeitung).

Foto: SPD

Herr Spinrath, fast 30 Jahre gehören Sie der SPD an, 50 Jahre besteht die nordrhein-westfälische Landesgruppe der SPD im Deutschen Bundestag, was jetzt in Berlin gefeiert wurde - wie hat sich Ihre Partei in den Jahren verändert, die sie aktiv miterlebt haben und zuletzt als Bundestagsabgeordneter auch aktiv in Berlin mitgestaltet haben?

Spinrath Nicht geändert hat sich die Diskussionsfreude in der Partei. In keiner anderen wird mehr diskutiert und um die richtigen Wege in der Politik gerungen. Heute wünschte ich mir hin und wieder mehr Geschlossenheit. Dass nach solchen Diskussionen mehrheitlich beschlossene Positionen auch von denen nach draußen vertreten werden, die vorher anderer Meinung waren. Das verstehe ich unter Demokratie.

Gibt es Zäsuren, die Ihnen persönlich wichtig gewesen sind? Die Sie besonders positiv oder negativ sehen?

Spinrath Besonders positiv war, dass die SPD schon 2007 mit ihrem Hamburger Grundsatzprogramm erste Korrekturen von Fehlentwicklungen in Teilbereichen der 2003 beschlossenen ,Agenda 2010' eingeleitet hat. Bedauerlich ist, dass dies und die Zuwendung zum Thema ,Soziale Gerechtigkeit' öffentlich nicht mehr hinreichend wahrgenommen wird. Sehr positiv war, dass ich als SPD-Kreisvorsitzender meine Gremien dazu bewegen konnte, Beiträge zum Programmentwurf zu erarbeiten. Und wir anschließend feststellen konnten, dass einige unserer Anträge, so zur Forderung nach einem gesetzlichen Mindestlohn, ins Programm übernommen wurden. Wichtig war für mich, dass wir trotz eines schlechten Ergebnisses bei der letzten Bundestagswahl als ,Juniorpartner' eine deutliche Rückkehr zur sozialen Gerechtigkeit durchsetzen konnten: der gesetzliche Mindestlohn, Rente nach 45 Versicherungsjahren, Mietpreisbremse, BAFöG, Maßnahmen zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf und Erhöhung des Frauenanteils in Leitungsfunktionen haben wir als SPD in der Großen Koalition durchgesetzt. Davon sind viele Millionen Menschen positiv betroffen, auch viele Tausend im Kreis Heinsberg profitieren davon.

Für alle, die nicht im Berliner Politikbetrieb stecken: Was verbirgt sich hinter der NRW-Landesgruppe der SPD und wie arbeitet sie?

Spinrath Die Landesgruppe trifft sich an jedem Montagabend einer Sitzungswoche in der Vertretung des Landes NRW in Berlin. Die Sitzungswoche wird vorbereitet, Fachkollegen tragen zur ausstehenden Tagesordnung vor.

Gibt es Beispiele, wo sich der Zusammenschluss der nordrhein-westfälischen Bundestagsabgeordneten der SPD positiv für die Menschen im Kreis Heinsberg ausgewirkt hat?

Spinrath Durch eine gute Vernetzung und solidarisches Handeln auch in der Landesgruppe ist es zum Beispiel gelungen, mehrere Verkehrsprojekte endlich realisieren zu können, so die Ortsumgehungen für Wassenberg, Baal und Scherpenseel. Die SPD-Verkehrspolitiker Udo Schiefner aus Viersen und Andreas Rimkus aus Düsseldorf waren dabei sehr hilfreich. Bei der Pkw-Maut habe ich die SPD-Kollegen aus den Wahlkreisen im deutsch-belgisch-niederländischen Grenzverlauf zusammengebracht. Gemeinsam ist es uns gelungen, die Mautpflicht nur auf die Bundesautobahnen zu begrenzen und damit wirtschaftliche Nachteile für viele Unternehmen im Kreis Heinsberg zu vermeiden, wie Einkaufen, Tanken, Gastronomie, Freizeit. Beim Thema Fracking waren wir uns in der Landesgruppe NRW und mit Hannelore Kraft sehr schnell einig, dass wir alles tun werden, den Abbau von Schiefergas in NRW zu verhindern, solange Risiken für Mensch und Natur nicht ausgeschlossen werden können. Die SPD-Landesgruppe NRW war der wesentliche Motor dafür, dass wir in Berlin eine Reihe von Gesetzen für die Verbesserung der Finanzausstattung der Städte und Gemeinden beschlossen haben. Sie werden in einem Zeitraum von vier Jahren um über 50 Milliarden Euro entlastet.

NRW ist, so darf man vielleicht sagen, vor allem aus dem Ruhrgebiet heraus sozialdemokratisches Kernland. Wäre es da nicht angebracht, wenn einmal ein Bundeskanzler, so er von der SPD gestellt würde, aus Ihrem Heimatland kommt? Wäre Ministerpräsidentin Hannelore Kraft nicht doch denkbar?

Spinrath Hannelore Kraft meinte es aufrichtig und nachhaltig, als sie im November 2013 erklärt hatte, sie macht es nicht. Ich halte es für eine richtige Entscheidung, dass sie sagt: ,Ich mache NRW und kandidiere nicht fürs Kanzleramt.' Denn aus NRW heraus erzielt sie die größte Wirkung für unser Land.

Mit wem wünschen Sie sich, in den 2017er Wahlkampf zu ziehen?

Spinrath Es ist nicht entscheidend, woher ein Mensch kommt. Sondern dass sie oder er kompetent ist, Vertrauen aufbauen und Zuversicht ausstrahlen kann. Da geht es nicht nach Herkunft oder Himmelsrichtung. Die Partei wird zum richtigen Zeitpunkt die richtige Person auswählen, die sogenannte K-Frage stellt sich derzeit noch nicht.

Die Wahlperiode hat die Hälfte weit überschritten. 2017 wird neu gewählt. Kandidieren Sie erneut?

Spinrath Ich bin 58. Es passt altermäßig. Die Arbeit macht mir sehr viel Spaß - ja, ich würde gerne erneut zur Wahl antreten. Der SPD-Ortsverein Geilenkirchen, dem ich angehöre, hat mich bereits vorgeschlagen, entschieden wird aber erst im Oktober auf der Kreiskonferenz.

Hat der Berliner Politikbetrieb Sie verändert? Was spornt an, was belastet, was fehlt, was kommt zu kurz?

Spinrath Mein Leben wird von ganz anderen Abläufen als früher bestimmt. Der Arbeitstag hat in den 22 Sitzungswochen pro Jahr mindestens 16 Stunden und zwölf Sitzungen zu zwölf Themen. Freizeit und Familienleben habe ich dann kaum. Ich habe aber in der Zeit seit 2013, als ich dank meines Listenplatzes in den Bundestag kam, festgestellt, dass man mit viel Power in der Politik viel erreichen kann, viel mehr, als ich mir vorgestellt hatte.

Haben Sie bei solchen Arbeitstagen noch Zeit für Ihren Wahlkreis?

Spinrath Ja, die bekomme ich immer unter! Abends zwischen 21 und 22 Uhr gehe ich immer noch mal für zwei, drei Stunden in mein Bundestagsbüro, um Themen von dort wegzuarbeiten. Außerdem gibt es noch die sitzungsfreien Wochen, in denen ich im Kreis Heinsberg bin. Und ich bin dort auch mit Mitarbeitern in meinem Wahlkreisbüro vertreten.

Sie sind Europapolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Obmann Ihrer Fraktion im Europaausschuss des Bundestags, reisen deshalb nach Brüssel, in andere EU-Staaten, waren dreimal mit Delegationen in der Ukraine, Sie regeln für Ihre Fraktion, wer wie lange im Parlament reden darf, und berichten zu EU-Themen an den Fraktionsvorstand . . . um einige Aufgaben zu nennen. Wo ist da noch Zeit, sich im Parlamentsbetrieb politischen Themen anzunehmen, die für den Kreis Heinsberg wichtig sind?

Spinrath Für Veranstaltungen, die für meinen Wahlkreis wichtig sind, stelle ich EU-Termine zurück. Einiges lässt sich auch verknüpfen, da es sich beim Europaausschuss um einen Querschnittsausschuss handelt mit Kontakt zu vielen Themenfeldern. Geradeeben habe ich Vertreter des flandrischen Parlaments getroffen, die dort für EU-Themen zuständig sind. Wir haben über das Atomkraftwerk Tihange und den Eisernen Rhein gesprochen - beides von großer Wichtigkeit für unseren Kreis.

Mit welchem Anliegen waren die Belgier beim Eisernen Rhein gekommen, dessen historische, teils stillgelegte Trasse durch Wegberg führt?

Spinrath Flandern ist besorgt, dass der Eiserne Rhein im Entwurf des Bundesverkehrswegeplans nicht in den vordringlichen Bedarf aufgenommen wurde, dessen Realisierung also nicht abzusehen ist. Flandern aber braucht die Schienenverbindung nach NRW für seine Seehäfen und den dort steigenden Warendurchfluss.

Ein altes Thema, in dem verschiedene Varianten diskutiert werden . . .

Spinrath . . . wir in NRW wollen die historische Trasse nicht, die durch Wegberg geht, sondern eine neue entlang der A 52. Das entlastet Wegberg, belastet aber den Kreis Viersen, wo es heißt: Das verlagert nur die Probleme. Da bisher keine Einigkeit herrscht, wie beim Eisernen Rhein vorgegangen werden soll - so denke ich -, wurde er auch nicht mit vordringlichem Bedarf in den Bundesverkehrswegeplanentwurf aufgenommen. Ich habe den Politikern aus Flandern empfohlen, mit dem Anliegen auf die nordrhein-westfälische Landesregierung zuzugehen. Ich selbst habe vor der Sommerpause noch einen Termin mit NRW-Verkehrsminister Michael Groschek, um sicherzustellen, dass es zu keiner Lösung gegen Wegberg kommt.

Was wurde mit den flandrischen Politikern zu Tihange besprochen? Vor allem die Menschen in unserer Grenzregion sorgen sich um die Sicherheit in dem Atomkraftwerk dort.

Spinrath Ich habe die Politiker aus Flandern aufgefordert, darauf einzuwirken, dass Belgien endlich realisiert, dass die Gefahrenzone nicht an der Grenze endet, sondern auch Deutschland umfasst, und habe gefordert, uns an der Sicherheitsplanung zu beteiligen. Zweitens habe ich gesagt, müssen die schadhaften Reaktorblöcke vom Netz.

Noch einmal zurück zum 50-jährigen Bestehen der NRW-Landesgruppe der SPD: Ministerpräsidentin Kraft, Parteivorsitzender Gabriel, Altkanzler Schröder und Fraktionsvorsitzender Oppermann haben bei dem Jubiläum vor Gästen gesprochen. Wer von ihnen hat einen Satz gesprochen, den Ihre Partei für die Zukunft besonders beherzigen sollte?

Spinrath Gerhard Schröder hat Geschlossenheit in der Partei gefordert. Das ist für mich zentral. Ich glaube, wie ich eingangs sagte, dass wir diese verlernt haben. Wir sollten intern streiten und nach außen geschlossen auftreten. Malu Dreyer hat in Rheinland-Pfalz bewiesen, dass man so - trotz großen Rückstands - eine Wahl gewinnen kann. Es gilt, wie Schröder gefordert hat, sich hinter dem Vorsitzenden zu versammeln.

Gilt diese Forderung für alle Ebenen?

Spinrath Sie gilt auch vor Ort. Das bedeutet, sich intensiv auf politische Themen vorzubereiten, auch mal in den Widerspruch zu gehen - was, zugegeben, vor allem im ländlichen Raum schwer sein kann, aber unumgänglich ist, um als Volkspartei wahrgenommen zu werden. Der Wahlkampf um das Bürgermeisteramt in Wegberg, den Michael Stock geführt hat, zeigt solche zum Erfolg führende Geschlossenheit beispielhaft, die erreicht wurde, nachdem sich Fraktion und Partei aufgespalten hatten. Oder auch die Kreistagsfraktion ist ein Beispiel für Geschlossenheit, die deren Vorsitzender Ralf Derichs nun wiederum bei seiner Bewerbungstour als Landtagskandidat in den SPD-Ortsvereinen erntet.

ANDREAS SPEEN FÜHRTE DAS GESPRÄCH

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort