Erkelenz Über das Warten auf die Leitentscheidung

Erkelenz · Die Menschen aus Holzweiler schauen gespannt nach Düsseldorf. Dort wird die Leitentscheidung erarbeitet, mit der der Tagebau verkleinert und ihr Ort vor den Baggern verschont werden soll. Sie hoffen auf eine zukunftsfähige Perspektive.

Menschenkette gegen Braunkohletagebau in Garzweiler
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Menschenkette gegen Braunkohletagebau in Garzweiler

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Foto: dpa, obe cul

Wer das Gespräch mit den Menschen in Holzweiler sucht, spürt, wie gespannt sie auf die Leitentscheidung der nordrhein-westfälischen Landesregierung warten. Sie sehnen den Tag herbei, an dem sie die endgültige Sicherheit fühlen, dass ihr Dorf nicht dem Abbau von Braunkohle geopfert wird, und an dem sie erfahren, wie nahe die Bagger von RWE Power dennoch an ihren Ort herankommen werden.

"Sobald wir den Termin kennen, werden wir Euch informieren", haben zehn Vertreter von Vereinen aus dem Dorf und von der Interessengemeinschaft "Perspektive für Holzweiler" ihren Nachbarn kürzlich in einem Handzettel versprochen, den sie an alle Haushalte verteilt haben. Genannt worden war vor den Sommerferien von der nordrhein-westfälischen Staatskanzlei der 15. September, an dem die Leitentscheidung in Erkelenz voraussichtlich vorgestellt werden könnte. Bestätigt worden ist der Termin indes noch nicht.

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Die Landesregierung unter Hannelore Kraft (SPD) hatte im März des vergangenen Jahres angekündigt, den Tagebau Garzweiler II so verkleinern zu wollen, dass Holzweiler bestehen bleiben kann. Dazu war im Herbst 2014 ein Prozess gestartet worden, in dem eine politische Leitentscheidung zur Energie- und Braunkohlenpolitik in NRW nach dem Jahr 2030 erarbeitet wird. Dazu hatte es unter anderem Expertengespräche in der Staatskanzlei in Düsseldorf gegeben, an dem auch Vertreter der Stadt Erkelenz und aus Holzweiler teilnahmen.

Zudem waren Vertreter der Staatskanzlei in Holzweiler, um die jetzige und zu erwartende Situation zu betrachten. Das war im Juli. Seither warten die Menschen gespannt auf den Entwurf der Leitentscheidung, der vorgestellt und dann über mehrere Wochen beraten werden soll. Auf einen Präsentationstermin hatte sich der NRW-Umweltminister Johannes Remmel (Grüne) vergangene Woche bei einem Besuch des Tagebaus bei Erkelenz jedoch noch nicht festgelegt. Im Frühherbst, sagte er. Man arbeite noch.

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Gespannt sind die Einwohner von Holzweiler vor allem in Bezug auf drei Themen: Abstand zum Tagebau, Verkehrsinfrastruktur und wie sich ihr Dorf künftig in die Landschaft (oder den Tagebau) einfügt. Wünsche und Forderungen hierzu hatten die IG "Perspektive für Holzweiler" und die Stadt Erkelenz gegenüber der Staatskanzlei bei einem Termin in Düsseldorf geäußert. Und bei dem Treffen in Holzweiler hatte eine Reihe von Vertretern aus Vereinen, Bruderschaft, Landwirtschaft, Kirche und Sport dies noch einmal verdeutlichen können. "Von diesen Themen hängt die Attraktivität als Wohnort ab und wie gut unser Ort in Zukunft weiterleben kann", sagt Torsten Moll von der Interessengemeinschaft auf Anfrage der RP.

 Für einen Ortstermin der Düsseldorfer Staatskanzlei hatte Holzweiler mit Schildern verdeutlicht, wo die Tagebaukante läge, dürfte der Braunkohlenabbau auf 200 Meter an das Dorf heranrücken.

Für einen Ortstermin der Düsseldorfer Staatskanzlei hatte Holzweiler mit Schildern verdeutlicht, wo die Tagebaukante läge, dürfte der Braunkohlenabbau auf 200 Meter an das Dorf heranrücken.

Foto: Schwinger

Ein wenig den anderen Themen übergeordnet ist die Forderung, eine Insellage für Holzweiler zu vermeiden. Insellage heißt für die Interessengemeinschaft, dass die Bagger von RWE im Laufe der Jahre von allen Seiten am Ort graben, weil das die Menschen über Jahrzehnte belasten würde. Käme das so, "dann fühlte man sich umschlungen und eingesperrt", beschreibt Johannes Oellers, der in der Interessengemeinschaft und in der Dorfgemeinschaft Holzweiler aktiv ist. Wie weit die Schaufelradbagger fernbleiben sollten, wollen Oellers und Moll nicht mit Zahlen benennen, nur: "So weit wie möglich." Damit sprechen sie einen der weiteren Wünsche aus.

Die ländliche Lage ist für Torsten Moll ein großes Plus am Wohnort Holzweiler. Wolle das Dorf in Zukunft für Menschen attraktiv sein, dürfe diese Lage nicht gänzlich geopfert werden. Eine gewisse Einbettung in die heute landwirtschaftlich geprägte Umgebung ist, so findet es die "Perspektive für Holzweiler", auch künftig notwendig, zum Beispiel, dass Spaziergänger und Jogger weiter die Bauernhofroute bis zum Roitzer-, Weyer- und Eggerather Hof laufen können.

Neu zu bewerten ist für die Interessengemeinschaft außerdem die Verkehrsinfrastruktur rund um Holzweiler, was ihre dritte Bitte an die Leitenscheidung ist. Das müsse von ihr angestoßen werden, findet Raphael Schwinger: "Ich bin vor 15 Jahren hierher gezogen, weil Holzweiler verkehrstechnisch so günstig zu Köln, Düsseldorf, Erkelenz und Aachen liegt." Dem Ort drohe dies verloren zu gehen. Mehr noch wiegt laut Moll aber die Angst, Holzweiler könnte zu einer Art von Sackgasse und durch die derzeit noch zu erwartende Verlegung der L 19 sowohl von Erkelenz als auch der Autobahn weggerückt werden. "Je nach dem, wie die Tagebaukante verläuft, verlören wir bis zu 75 Prozent der Anbindungen an die Außenwelt", sagt Moll. Ohne die heutige Anbindung an beispielsweise den Nachbarort Kückhoven würden der Weg zum nächstgelegenen Nahversorger oder zur nächsten Grundschule bedeutend weiter. Auch hat die Interessengemeinschaft berechnet, dass der Notarzt aus Erkelenz bis zu sieben Minuten länger brauchen würde, würde die jetzige L 19 aufgegeben.

Wie ihre Anliegen in die Leitentscheidung eingeflossen sind, darauf warten die Menschen in Holzweiler gespannt - wobei das Wort "warten" die Situation im Dorf nur unzureichend beschreibt. Vielmehr wird für ein Holzweiler mit einer lebenswerten Perspektive gekämpft, oder wie in dem jüngst an die Einwohner verteilten Handzettel formuliert wird: "Jetzt geht es um die Zukunft von Holzweiler - und wir halten zusammen!"

(spe)
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