Erkelenz Über das Bier in Literatur und Schlager

Erkelenz · Ralf Georg Czapla, Literaturprofessor aus Erkelenz, referierte in Müller's Platz ebenso launig wie kenntnisreich über die Bedeutung des Gerstensafts in Literatur und Schlager.

Ohne Alkohol wäre so manches Stück Weltliteratur nicht zustandegekommen - da ist sich die Literaturwissenschaft im Prinzip einig. Da ist es also nur konsequent, wenn auch einmal der literarischen Verarbeitung des Bieres, nach wie vor so etwas wie das deutsche Nationalgetränk, nachgespürt wird.

Dieser Aufgabe hat sich Prof. Dr. Ralf Georg Czapla angenommen. Der gebürtige Immerather, der an der Universität Heidelberg Neuere Deutsche Literaturwissenschaft und Vergleichende Literaturwissenschaft lehrt, hielt auf Einladung des Erkelenzer Heimatvereins in Müller's Platz einen ebenso vergnüglichen wie lehrreichen Vortrag. Titel: "Und ohne Bier, was fang ich an? Da bin ich ein geschlagener Mann".

Darin unternahm Czapla einen kurzweiligen Ausflug quer durch die Jahrhunderte - mit einem klaren Schwerpunkt: "Mitte des 19. Jahrhunderts war die große Zeit des Biergedichts", erklärte er. Das sei nicht von ungefähr gekommen. Denn nach der gescheiterten Revolution 1848 sei es gerade auch das Bier gewesen, das soziale Gegensätze ausgeglichen habe und so zu einem gemeinschaftsstiftenden Gebräu auf dem Weg zur nationalen Einheit geworden sei. Was Czapla in ein kühnes Bild kleidete: "Die Bierbänke nahmen so die Parlamentsbänke vorweg."

Als Musterbeispiel führte er die "Ode auf das Bockbier" an, 1854 von Paul Heyse verfasst, immerhin dem ersten Literaturnobelpreisträger überhaupt: "Sei mir gegrüßt, du Held im Schaumgelock, Streitbarer Männer Sieger, edler Bock!", heißt es da euphorisch schon in den ersten Zeilen. Der Bierdichter schlechthin sei aber ein noch prominenterer Zeitgenosse gewesen: August Heinrich Hoffmann von Fallersleben, von dem der Text der deutschen Nationalhymne stammt.

Lobpreisungen aufs Bier gibt's jedoch auch schon aus viel früheren Zeiten. Dafür zitierte Czapla mit Hildegard von Bingen auch eine Frau aus dem zwölften Jahrhundert: "Bier gibt dem Antlitz eine schöne Farbe", empfahl die Heilige. Deftiger textete im späten 19. Jahrhundert Humorist Wilhelm Busch: "Das Wasser gibt dem Hornvieh Kraft, den Menschen stärkt der Gerstensaft." Apropos deftig: Nicht fehlen durfte da Martin Luther, generell bekannt für "klare Kante". Augenzwinkernd berichtete Czapla, dass der Reformator, für den Bier gar eine Gabe Gottes war, leidenschaftlich gegen den Verkauf von minderwertigem Dünnbier wetterte - und dieses Vergehen gar mit Ehebruch gleichsetzte. Und wenige Jahre nach Luthers Tod habe Hans Sachs 1553 das Biergedicht schlechthin geschaffen - mit seinem Knittelvers "Wer erstlich hat erfunden bier, Und der vollen brüder thornier".

Aber auch die beiden allergrößten Dichter deutscher Zunge hätten das Bier sehr geschätzt, versicherte Czapla abrundend. So sei Schiller ein bekennender Biertrinker gewesen - womit er sich in gewissen Kreisen verdächtig gemacht habe: "Wer Bier trank, galt im Establishment als gewöhnlich", führte Czapla schmunzelnd aus. Wer etwas auf sich hielt, trank vielmehr Wein - ein Phänomen, das auch heute nicht ganz unbekannt ist.

Und auch Goethe sei nicht gerade ein Bierverschmäher gewesen, betonte der Literaturprofessor. Dazu zitierte er genüsslich Wilhelm von Humboldt, der in einem Brief mit blankem Entsetzen von Goethes Leidenschaft für diverse Biersorten - "oder wie die Greuel alle heißen" - berichtete.

(emo)
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