Erkelenz "Psychisch gesund" heißt nicht "normal"

Erkelenz · Mit einem humorvollen Vortrag über psychische Krankheiten von Dr. Manfred Lütz stellte der Kreis Heinsberg bei einem Unternehmerforum eine neue Initiative zum betrieblichen Gesundheitsmanagement vorgestellt.

 Beim Unternehmerforum im Foyer der Kreissparkasse in Erkelenz referierte Dr. Manfred Lütz kurzweilig über seinen Beruf als Psychiater.

Beim Unternehmerforum im Foyer der Kreissparkasse in Erkelenz referierte Dr. Manfred Lütz kurzweilig über seinen Beruf als Psychiater.

Foto: Jürgen Laaser

Wer sind eigentlich die "Normalen" oder "Normopathen", wie Dr. Manfred Lütz sie nennt? Diese Frage konnten sich die Besucher während seines Vortrags mit dem Titel "Irre - Wir behandeln die Falschen. Das Problem sind die Normalen" schon stellen. Die nicht ganz ernst gemeinte Antwort des Facharztes für Psychiatrie und Psychotherapie, der inzwischen auch erfolgreicher Kabarettist und Buchautor ist, war einfach: "Das bestimme ich - ich bin Chefarzt!"

Bei einem Unternehmerforum der Kreissparkasse Heinsberg und der Wirtschaftsförderungsgesellschaft des Kreises Heinsberg (WFG) informierte Dr. Manfred Lütz am Mittwoch in Erkelenz über psychische Krankheiten und den Umgang damit, stets gespickt mit lustigen Anekdoten und scharfsinniger Gesellschaftskritik.

Der Hintergrund des kurzweiligen Vortrags war durchaus ein ernster. "Ein Drittel aller Deutschen sind irgendwann einmal psychisch krank", erklärte er. Da sei es eine Schande, dass die meisten Menschen so wenig über psychische Krankheiten wissen, "jeder kennt jemanden, der betroffen ist, aber niemand traut sich, darüber zu reden". Die WFG, die Kreissparkasse und der Kreis Heinsberg stellten daher im Zusammenhang mit diesem Vortrag die Initiative "Gesunde Unternehmenskultur im Kreis Heinsberg" vor, die Unternehmer ermutigen soll, über das betriebliche Gesundheitsmanagement nachzudenken. "Ein gesunder Arbeitnehmer ist auch ein guter Arbeitnehmer", fasste Landrat Stephan Pusch das Ziel der Initiative zusammen.

"Eine tolle Idee", fand Lütz und stellte klar: "Arbeit ist nicht gesundheitsschädlich, im besten Fall soll sie stabilisierend wirken." Selbst bietet er seit einigen Jahren psychiatrische Beratung in einem Unternehmen an.

Aus seiner praktischen Erfahrung gab Lütz den Unternehmern handfeste Tipps und klärte über Krankheitsbilder auf. Gleichzeitig warnte er aber davor, jede Außergewöhnlichkeit in eine Diagnose zu pressen. Die meisten psychischen Reaktionen seien normal, erklärte er, "und im Zweifel ist jemand gesund, aber merkwürdig".

In Anekdoten über entlaufene Patienten oder ungünstige Kombinationen zweier Kranker in einem Zimmer nahm er seinem Publikum durchaus auch die Angst vor dem Umgang mit Betroffenen und stellte eine Frage gleich selbst: Darf man humorvoll mit behinderten oder psychisch kranken Menschen umgehen? "Ja", befand er, "die sind manchmal hinreißend witzig und haben es verdient, dass man über sie lacht."

In seiner direkten und unverhüllt rheinländischen Art regte er seine Zuhörer an, kritisch über den gesellschaftlichen Umgang mit psychisch Kranken nachzudenken. Er zeigte beeindruckend, dass die Einstufung als "normal" unabhängig ist von psychischen Krankheiten und bei Weitem nicht so deutlich, wie man denkt. Die Welt seiner Patienten sei chaotisch, aber fantasievoller, und eitle Erfolgsmenschen würden als Demenzpatienten manchmal anrührend. "Als Gesellschaft sind wir blind für die wichtigen Fragen", sagte er, "und das halten wir für normal."

(lado)
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