Erkelenz Mit Essen Krankheit bekämpfen

Erkelenz · Vor dem zweiten Staatsexamen konnte die Erkelenzer Medizinstudentin Julia Wotzka einen Monat in einer Uniklinik in Ruanda arbeiten und dabei zugleich in der Entwicklungshilfe tätig sein. Nach der Rückkehr fühlt sie sich verändert.

Julia Wotzka aus Erkelenz-Kückhoven studiert Medizin und arbeitete ein Monat in Ruanda.

Julia Wotzka aus Erkelenz-Kückhoven studiert Medizin und arbeitete ein Monat in Ruanda.

Foto: Wotzka

Bedrückend ist es für Julia Wotzka, zu erleben, wie Menschen in Ruanda im Krankenhaus erst mit Medizin versorgt werden, nachdem Verwandte dafür gezahlt haben. Beeindruckend ist für die Medizinstudentin aus Erkelenz, wie sich die Angehörigen um die Kranken kümmern. Und beklemmend ist für die 23-Jährige, dass nur jene Patienten ein Essen bekommen, deren Familien dafür sorgen. Um als angehende Ärztin zu helfen und zu lernen aber auch, um Kranke mit Nahrung zu versorgen, ist Julia Wotzka in Ruanda gewesen, wo sie im Universitätsklinikum in Huye vier Wochen lang mitarbeiten durfte. Nach der Rückkehr fühlt sie sich verändert.

Vier deutsche Medizinstudenten arbeiteten 2014 als Ärzte im Praktikum in einem Krankenhaus in Ruanda, wo ihnen auffiel, dass zwar eine medizinische Versorgung der Patienten stattfindet, deren Ernährung jedoch den Angehörigen überlassen wird. Können diese die Lebensmittelversorgung nicht übernehmen, beispielsweise wegen Armut, HIV oder den Folgen des Genozids, verhungern die Patienten. Die angehenden Ärzte beschlossen, unterstützt von Spendern und Freiwilligen, etwas gegen diese Situation zu unternehmen und gründeten den gemeinnützigen Verein "Eat to fight your disease" (Iss, um deine Krankheit zu bekämpfen). Julia Wotzka aus Erkelenz-Kückhoven ist eine der Freiwilligen.

 Oben links: Krankenhausmahlzeiten. Oben rechts: Alexis Havugimana in der Krankenhausküche. Unten: Vanessa Rwambibi Umuhoza am Pilzzuchthaus.

Oben links: Krankenhausmahlzeiten. Oben rechts: Alexis Havugimana in der Krankenhausküche. Unten: Vanessa Rwambibi Umuhoza am Pilzzuchthaus.

Foto: Julia Wotzka

Zum Medizinstudium gehören in Deutschland zwischen dem ersten und dem zweiten Staatsexamen vier Praktikumsmonate. Für ihren vierten Monat überlegte sich Julia Wotzka, die in Bochum an der Ruhr-Universität studiert, das Praktikum mit Entwicklungshilfe zu verbinden. "Dem Projekt in Ruanda zu helfen, hat mich angezogen", erzählt die frühere Schülerin des Cornelius-Burgh-Gymnasiums. Angesiedelt ist dieses Projekt an der Uniklinik in Huye, "wo dank dessen inzwischen zweimal am Tag 110 Patienten mit Essen versorgt werden können". Mittlerweile werden dafür viele Lebensmittel sogar vor Ort angebaut: "Die Klinik konnte dem Verein brachliegende Felder zur Verfügung stellen, die an deren Gebäude angrenzen. Dort können sechs Farmer beschäftigt werden, die unter anderem Mais, Bohnen und Süßkartoffeln anbauen. Somit muss weniger hinzugekauft werden. Außerdem beschäftigt der Verein drei Köche, welche die Mahlzeiten zubereiten." Gerade errichtet wurde zusätzlich ein Haus, in dem Pilze gezüchtet werden: "Sie stellen für die Patienten eine günstigere Proteinzufuhr als Fleisch dar."

Neuerdings kann der Verein ""Eat to fight your disease" außerdem jedem Patienten, der aus dem Krankenhaus entlassen wird, eine Ziege und ein Huhn mitgeben. "Mehr als 80 Prozent der Ruander sind Selbstversorger", erklärt Julia Wotzka. Mit den zwei Tieren sollen sich die Menschen etwas Neues aufbauen, denn: "Oft ist Unterernährung das grundlegende Problem, auf das sich andere Krankheiten erst draufsetzen."

Erkelenz: Mit Essen Krankheit bekämpfen
Foto: Julia Wotzka

Die Erkelenzer Medizinstudentin half dem Verein während ihres Aufenthalts bei der Essensausgabe und arbeitete ansonsten auf der Inneren Abteilung des öffentlichen Krankenhauses mit. "Ich habe einiges erlebt", berichtet Julia Wotzka über den Krankenhausalltag, deren offenes Lachen verschwindet, sobald sie auf die finanzielle Ausstattung des medizinischen Systems in Ruanda zu sprechen kommt: "Reiche gehen in Privatkliniken, alle anderen haben einen sehr langen Weg hinter sich, bis sie in das Universitätsklinikum gekommen sind." Zunächst würden die Kranken in lokalen Ambulanzen behandelt, anschließend in Distrikt-Krankenhäusern und danach erst in der Uniklinik, "wo sich - oft erst nach Monaten - die schwersten Fälle einfinden". Es würden dort auch alle Patienten behandelt. Das sei nicht das Problem. Ein funktionierendes Krankenhaussystem sei vorhanden. Nicht aber dessen ausreichende finanzielle Ausstattung, stellte die 23-Jährige fest: "Die Patienten müssen ihre Untersuchungen und die Medizin selbst bezahlen, was viele nicht können - erst wenn Angehörige das für sie erledigt haben, erhalten sie die notwendigen Mittel, und das kann heißen, bis dahin den Tag vor Schmerz schreien zu müssen."

Ruanda beschreibt Julia Wotzka als "ein sich entwickelndes, aber immer noch bitterarmes Land". Auch am Straßenrand hat sie hungernde Menschen gesehen. "Ich habe Armut erlebt und denke heute anders", sagt sie. Sie habe gelernt, einfacher zu leben. Gelernt habe sie aber auch, wie sehr sich Menschen gegenseitig unterstützen und respektieren können: "Mich hat sehr beeindruckt, wie stark die Angehörigen sich um die Patienten kümmern. Und ich habe sehr viele unfassbar liebe und hilfsbereite Menschen kennengelernt." Als eine interessante Erfahrung passt in dieses Erleben, dass "die Menschen in Ruanda jeden Monat an einem Tag verpflichtet sind, gemeinnützige Arbeit zu leisten, wozu zum Beispiel gehören kann, den Ärmsten Häuser zu bauen". Auch das hat die Studentin, die derzeit am Franziskus-Krankenhaus in Mönchengladbach an ihrer Doktorarbeit schreibt, beeindruckt. Sie könnte sich vorstellen, "als fertige Ärztin noch einmal nach Ruanda zurückzukehren".

Viel Wissen für ihr Studium und Erfahrungen im Umgang mit Patienten und deren Angehörige hat Julia Wotzka bereits bei ihrem ersten Aufenthalt erlangt.

(spe)
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