Erkelenz Kritik am Bildungssystem, das Durchschnitt fördere

Erkelenz · Wiener Genetiker und Universitätsprofessor Markus Hengstschläger spricht über die Bildungsmisere.

Elite ist jeder. Denn: Jeder Mensch hat besondere individuelle Begabungen. Und die gilt es zu fördern. So lautet die Quintessenz eines Vortrags, den der Wiener Genetiker und Universitätsprofessor Markus Hengstschläger jetzt vor Bürgermeistern, Kommunalpolitikern und Verwaltungsmitarbeitern aus dem Kreis Heinsberg hielt. Hengstschläger, der Autor mehrerer Fach- und Sachbücher über die Talentförderung ist, sprach auf Einladung der Volksbanken und Raiffeisenbanken des Kreises Heinsberg während der "Fachtagung Kommune" in der Volksbank Erkelenz.

Entscheidungsträgern und leitenden Verwaltungsfachkräften aus den zehn Kreiskommunen Denkanstöße und Anregungen für ihre tägliche Arbeit zu liefern, nannte Bankensprecher Veit Luxem in seiner Begrüßungsansprache als Ziel der Fachtagung. Auch die heimischen Kreditgenossenschaften, verriet Luxem, holten sich von Zeit zu Zeit für ihre Vorstände, leitende Mitarbeiter und nicht selten auch für alle Beschäftigten externes Expertenwissen ins Haus: "Es ist wichtig für uns Banker, dass wir uns nicht nur mit eigenen Themen wie der anhaltenden Niedrigzinsphase oder der überbordenden Regulatorik beschäftigen."

Vor dem Hintergrund der jüngsten Pisa-Studie, in der die deutschen Grundschulen einmal mehr unterdurchschnittlich abschnitten, erhielt der Vortrag von Hengstschläger besondere Aktualität. In seinem Buch "Die Durchschnittsfalle" geht er mit dem bestehenden Schulsystem hart ins Gericht. Schuld an der Misere seien nicht die Gene, sondern das Bildungssystem. Dies orientiere sich nur am Durchschnitt. Außergewöhnliche Stärken würden nicht ausreichend gefördert und häufig sogar als störend empfunden: "Der durchschnittliche Alleskönner ist oberste Maxime unserer viel beschworenen Leistungsgesellschaft." Ein System, in dem alle Teile möglichst nahe an einem gemeinsamen Durchschnitt sind, so der Professor, sei für die Zukunft in keinerlei Weise gerüstet. Vor den kommunalen Vertretern aus dem Kreis Heinsberg forderte er stattdessen "Varianz".

Möglichst viele möglichst verschiedene Individuen im System zu haben, sei die mächtigste Waffe auf dem Weg in die Zukunft. Niemand wisse heute, welche Herausforderungen auf uns zukommen. Besonders in der Schule werden Talente nach Ansicht von Hengstschläger verschleudert. Der Bildungsexperte: "Von allen Seiten werden die Schüler dazu angehalten, gerade dort am meisten zu lernen, wo sie die schlechtesten Noten haben - nur um sich wieder in den Durchschnitt einzureihen, und zwar auf Kosten jener Zeit, die sie mit ihren Stärken verbringen könnten." Bankchef Luxem stellte später fest: "Wir haben einen Vortrag gehört, der uns zutiefst nachdenklich gestimmt hat. "Wir müssen der Förderung individueller Talente viel mehr Beachtung schenken."

(RP)
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