Tagebauproteste Klimacamper eröffnen Kindergarten in Immerath neu

Erkelenz · Klimaaktivisten haben am Donnerstag den Kindergarten in Immerath wiedereröffnet. Nach eigener Aussage wollen sie den Kindergarten nicht "besetzen", sondern vielmehr "den Menschen zurückgeben".

 Das Unterrichtsangebot wurde mit Kreide an die Wand geschrieben.

Das Unterrichtsangebot wurde mit Kreide an die Wand geschrieben.

Foto: Speen

Friedlich verlaufen die Mahnwachen in Immerath, Wanlo und Borschemich, an denen sich bisher rund 150 Aktivisten beteiligen. In Immerath haben sich jedoch gegen 10.45 Uhr mehrere, zum Teil vermummte Personen, Zutritt in ein leerstehendes Gebäude an der Jackerather Straße verschafft. Laut Polizeiangaben werden die Eigentumsverhältnisse derzeit ermittelt.

"Wir möchten diesen Kindergarten nicht besetzen", hatte am Mittag ein Sprecher der Aktionsgruppe erklärt, "vielmehr wollen wir sie den Menschen zurückgeben. Wir stellen mit dieser Aktion sehr klar, was für die Braunkohle alles zerstört wird und dass hinter dem Problem des Klimawandels mehr steht. wie die Zerstörung lange gewachsener sozialer Strukturen."

Im Rahmen des Klimacamps 2016 haben Aktivisten die Schule in Immerath neueröffnet.

Im Rahmen des Klimacamps 2016 haben Aktivisten die Schule in Immerath neueröffnet.

Foto: Speen

Während in dem alten Immerather Kindergarten Yoga und Sambatanz, Clownspiele und Zirkus unterrichtet wurden, hielten andere Aktivisten, die alle aus dem Klimacamp in Lützerath aufgebrochen waren, Mahnwachen in Wanlo, Immerath (alt) und Borschemich (alt) ab, fuhren auf Fahrrädern am Tagebau entlang, drückten Samba tanzend oder durch Nacktheit ihren Protest aus oder machten sich bei einer Rallye zum Kohlenabbau im Rheinischen Revier zum Thema schlau.

"Wir machen mit den Aktionen darauf aufmerksam, wo in dieser Region Umweltzerstörungen im Sinne des Kohlenabbaus passieren", sagte Judith Zimmermann, eine Pressesprecherin des Klimacamps, das seit einer Woche wie im Vorjahr auf einem Feld in Lützerath gastiert. Bei allen Aktionen gelte die Forderung: "Sofortiger Kohleausstieg, um den Klimawandel zu bremsen."

Aufgerufen wurde im Klimacamp zu kreativen Protestformen. Bis zum Montag bietet dort eine Aktionslabor genannte Gruppe Menschen einen Raum für deren Protest. Nachdem dieser im vergangenen Jahr an einem Tag eskaliert war — Aktivisten und Polizisten waren am und im Tagebau Garzweiler II teilweise massiv aneinandergeraten —, gab das Aktionslabor, das erstmals die Organisation übernommen hat, für dieses Jahr einen "Orientierungsrahmen für Aktionen" heraus, in dem es unter anderem heißt: "Wie gut unsere Aktionen von Außenstehenden verstanden werden können, hängt häufig auch von der Ästhetik ab, die wir verwanden. Aktionen, die auf Militanzästhetik (wie Feuer und zerstörte Polizeiautos) verzichten, können genauso effektiv in ihrer Blockadewirkung sein und dabei verständlicher für Außenstehende. Daher wünschen wir uns von teilnehmenden Aktionsgruppen, auf diese Formen zu verzichten und stattdessen andere Formen der Unschädlichmachung von zerstörerischer Kohle-Infrastruktur zu finden." Außerdem sei gewollte, dass von den Aktivisten "keine körperliche Konfrontation ausgeht".

Während am Donnerstag auf das Informieren gesetzt wurde, soll es am zweiten Aktionstag am Samstag auch um das Blockieren von Infrastruktur gehen, heißt es im Klimacamp. "Was gemacht wird, kann ich heute noch nicht sagen", erklärte Judith Zimmermann. Zu erwarten seien kleinere Aktionen, keine große wie im Vorjahr: "Hier haben sich Menschen zusammengefunden, die sich Sorgen um unser Klima machen und die sich genötigt sehen, etwas zu unternehmen."

Dieses "Unternehmen" beschränkt sich beim Klimacamp bei Weitem nicht auf die öffentlich auffälligen Aktionstage. Auch der Protestzug am vergangenen Samstag von Borschemich (alt) nach Keyenberg gehörte dazu oder ein Impulsvortrag von Nnimmo Bassey, dem Träger des Alternativen Nobelpreises "Right Livelihood Award", am Dienstag. In dem frei zugänglichen Klimacamp gibt es Workshops, ein Kinderzelt und bis Mittwoch wurde die Degrowth-Sommerschule angeboten, bei der alternative Gesellschaftsformen diskutiert wurden.

"Unsere Küche hat insgesamt mehr als 900 Besucher im Klimacamp gezählt, das Spektrum ist unglaublich breit. In den ersten Tagen haben wir in den Workshops Utopien diskutiert, in den wir gerne leben wollen. Und teilweise haben wir versucht, sie umzusetzen", berichtete Zimmermann gestern. So sei das Camp basisdemokratisch organisiert und in den Zeltnachbarschaften gestaltet, werde ökologisch nachhaltig gelebt, zum Beispiel nur vegan, saisonal und mit regionalen Produkten gekocht, und auch der Strom stamme aus Wind- und Sonnenenergie, die vor Ort produziert werde. "Es ist schön zu sehen, dass das alles funktioniert, ohne dass Verzicht geübt werden muss, dass wir in dieser Form des Zusammenlebens Spaß haben", gab Judith Zimmermann eine Zwischenbilanz.

(spe)
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