Erkelenz "In Bayern bei Stromtrassen umdenken"

Erkelenz · Oberstufenschüler aus dem bayerischen Bad Aibling waren zu Besuch am Braunkohlentagebau Garzweiler II. Von einem der Schüler, Luca Stenzel, ist die Familie von der Umsiedlung betroffen. Das Haus der Großeltern steht in Kuckum.

 Schüler aus Bad Aibling am Aussichtspunkt: Die immensen Ausmaße des Braunkohlentagbaus Garzweiler II beeindruckten die Schüler.

Schüler aus Bad Aibling am Aussichtspunkt: Die immensen Ausmaße des Braunkohlentagbaus Garzweiler II beeindruckten die Schüler.

Foto: Andreas Speen

Mit 50 Oberstufenschülern aus Bad Aibling stehen Georg Meltl und einige Lehrerkollegen am Tagebau Garzweiler. Sie blicken in das Loch, und Schüler Kilian Nuss wirft die Frage nach den Stromtrassen auf, gegen die sich seine bayerische Heimat wehrt: "Wenn ich mir überlege, was hier mit der Landschaft geschieht, sollten wir in Bayern umdenken."

Kilian Nuss ist Schüler am Gymnasium von Bad Aibling, dessen Geschichtskursus die Oberstufenfahrt ins Ruhrgebiet unternimmt - mit einem Abstecher gestern ins Rheinische Revier. Bilder von den Braunkohletagebauen kenne er, sagt Nuss, sie würden aber nicht das herüberbringen, was er hier sehe. Und Mitschüler Lukas Anzinger glaubt, dass allein schon die räumliche Distanz zwischen Bayern und den Tagebauen dazu führe, dass in seiner Heimat gegen die geplanten Stromtrassen argumentiert werde, die Windenergie durch Deutschland transportieren sollen: "Niemand bei uns will sie vor seiner Haustüre haben. Wir sehen hier jetzt aber das Tagebauloch und wie Menschen dafür umgesiedelt werden, und ich denke mir: Wir müssen umdenken." Und noch etwas falle ihm in Nordrhein-Westfalen auf, das er aus dem südlichen Bayern kaum kenne, was für eine Energiewende aber von Bedeutung sei: "Hier stehen so viele Windräder. Bei uns sind die echt selten."

Industrialisierung und Strukturwandel sind die aktuellen Themen des Geschichtskurses aus Bad Aibling. Lehrer Georg Meltl hatte dazu die Idee, eine Oberstufenfahrt ins Ruhrgebiet zu organisieren. Üblich sei es an bayerischen Schulen, nach Berlin zu reisen. Zunächst seien die 50 Schüler deshalb enttäuscht gewesen. Er habe ihnen jedoch erklären können, dass jeder in seinem Leben irgendwann mal die Hauptstadt besuche, sie aber die Chance nutzen sollten, eine Region zu erkunden, die für Deutschland wichtig sei, aber nicht erste Anlaufstelle für Touristen. Und so kam die Gruppe nach Bochum.

Der halbtägige Abstecher an den Tagebau Garzweiler II wiederum war die Idee von Schüler Luca Stenzel. Sein Großvater lebt in Kuckum, seine Eltern stammen von dort. Er aber wuchs in Bad Aibling auf, wohin diese kurz vor seiner Geburt gezogen waren. "Seit der fünften Klasse habe ich immer wieder Referate über das Tagebau-Thema gehalten", erklärt Luca Stenzel.

Er habe seine Mitschüler informieren wollen, was in der Heimat seiner Familie passiere. Und so war es auch jetzt wieder. Als er schließlich erfuhr, dass die Studienfahrt ins Ruhrgebiet gehen sollte, organisierte er mit seinen Lehrern und seinem Großvater Josef Bodewig eine Tour nach Jackerath zum dortigen Aussichtspunkt, durch das fast verlassene Immerath (alt) und nach Borschemich (neu). "Mich macht schon lange sehr betroffen, dass das Haus meiner Großeltern irgendwann einmal weggebaggert wird. Kuckum ist ihre Heimat", sagt der Elftklässler.

Derzeit bekomme er deren Zwiespalt zwischen den Umsiedlungsphasen mit und sehe bei jedem Besuch, drei bis vier sind es im Jahr, "wie schnell sich hier alles verändert: Auf der einen Seite wird abgerissen und weggebaggert, auf der anderen werden Gebäude und Straßen neu gebaut." Dies sollten seine Mitschüler einmal sehen und erklärt bekommen. Josef Bodewig erzählte den Schülern aus Bayern gestern davon, aus seinem persönlichen Erleben heraus.

(spe)
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