Nach dem Ende des Immerather Doms RWE wird wegen Tagebau weitere Kirchen abreißen

Erkelenz · Der Abriss des Immerather Doms hat trotz Greenpeace-Protesten begonnen. Er ist nicht die letzte Kirche, die dem Tagebau weichen muss. RWE darf im rheinischen Revier noch Hunderte Millionen Tonnen Braunkohle fördern.

Eigentlich sollte der Bagger am Montag schon um neun Uhr zuschlagen. Doch Greenpeace-Aktivisten hielten ihn auf. Drei von ihnen entfalteten am Portal des Immerather Doms ein Transparent: "Wer Kultur zerstört, zerstört auch Menschen." Zwei weitere ketteten sich an den Abrissbagger. Bis 14 Uhr dauerte das Protest-Spektakel, dann begann der Abriss. Mit der St. Lambertus-Kirche stirbt der Erkelenzer Ortsteil Immerath endgültig. Er muss dem Tagebau Garzweiler weichen.

Naturschützer fordern von RWE, den Tagebau zu stoppen, bis eine neue Bundesregierung steht und über die Zukunft der Kohleverstromung entschieden hat. Der Abriss der Immerather Kirche sei Symbol einer Energiepolitik, die längst überholt sei, findet Greenpeace. "RWE baggert Menschen Haus und Hof weg. Dabei ist klar: Das Klima muss geschützt werden, und ein Kohleausstieg ist dafür unvermeidbar", sagt Anike Peters, Energie-Expertin der Umweltschützer. Tatsächlich ist Braunkohle besonders klimaschädlich: Bei der Verfeuerung einer Tonne entsteht im Schnitt eine Tonne Kohlendioxid (CO2). Zum Vergleich: Bei einem Gaskraftwerk fällt nur ein Drittel so viel CO2 an.

Erkelenz: Immerather Dom wird abgerissen
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Erkelenz: Immerather Dom wird abgerissen

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Foto: Reichartz Hans-Peter

Abbau ist juristisch abgesegnet

RWE betont dagegen, man reduziere den CO2-Ausstoß bereits durch Stilllegung alter Blöcke. Zudem erfolge der Abbau auf Basis höchstrichterlich abgesegneter Genehmigungen. 2013 hat das Bundesverfassungsgericht zwar die Rechte von Anwohnern gestärkt, aber eben auch Garzweiler II gebilligt. Die rot-grüne Landesregierung hatte 2015 im Rahmen ihrer Leitentscheidung zwar die Abbaumenge um ein Viertel verkleinert, aber auch den Abbau zeitlich unbegrenzt erlaubt. Der Abbruch der Kirche in Immerath sei erforderlich, weil die Bagger von Garzweiler nahten, erklärte RWE. Im Sommer werde die neue Autobahn A 44 zwischen den Kreuzen Holz und Jackerath in Betrieb genommen. Anschließend werde mit dem Abriss der A 61 zwischen Wanlo und Jackerath begonnen. Und dann würden die Schaufelradbagger Immerath erreichen.

Bei dem Streit um die Immerather Kirche, die 1891 als neuromanische Basilika errichtet worden war, geht es auch um Grundsätzliches. Aus Sicht von Greenpeace ist Kohle für die Energieversorgung nicht mehr notwendig. Eine Kurzanalyse von 2017 belege, dass ein Drittel der Kohlekraftwerke in Deutschland in den kommenden drei Jahren vom Netz gehen könnte, ohne Folgen für die Versorgungssicherheit.

Erkelenz: Proteste vor Abriss des Immerather Doms
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Proteste vor Abriss des Immerather Doms in Erkelenz

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Foto: Andreas Speen

RWE widerspricht. Da erneuerbare Energien nur ungleichmäßig Strom lieferten, brauche man Kohlekraftwerke zur Versorgungssicherheit. "Die Stromerzeugung aus Braunkohle aus den drei Tagebauen des Rheinischen Reviers deckt rund 40 Prozent des Strombedarfs in NRW und rund zwölf Prozent der nationalen Stromnachfrage", so der Konzern. In Garzweiler fördert er jährlich bis zu 35 Millionen Tonnen Braunkohle. Und deshalb ist mit dem Abriss von Immerath auch noch nicht Schluss. Derzeit sind weitere Stadtteile von Erkelenz in der Umsiedlung - Keyenberg, Kuckum, Berverath, Ober- und Unterwestrich. Auch in Keyenburg und Kuckum stehen Kirchen, die in den nächsten Jahren dem Bagger weichen müssen. In Kerpen fielen Häuser für den Tagebau Hambach. Für den Tagebau Inden fand die letzte Umsiedlung 2015 statt, das Dorf Pier verschwand.

Allein in Immerath verloren nun 1800 Menschen ihre Heimat. RWE entschädigte sie und unterstützte einen sozialverträglichen Umzug an neue Orte. So ziehen viele ins acht Kilometer entfernte Immerath (neu). Nach dem Zweiten Weltkrieg erlebte das rheinische Revier einen Boom, seitdem sind 40.000 Menschen umgesiedelt worden. RWE will den Tagebau Inden bis 2030 auskohlen, Hambach und Garzweiler bis Mitte des Jahrhunderts.

(hoe)
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