Erkelenz "Erinnern muss mehr sein als bloßes Gedenken"

Erkelenz · In der Feierstunde zur Reichskristallnacht am 9. November 1938 wurden erschreckende Parallelen zur Flucht damals und heute gezogen.

 Der Schulchor der Hauptschule sang gestern zur Gedenkfeier auf dem jüdischen Friedhof in Erkelenz. RP-FOTO: JÜRGEN LAASER

Der Schulchor der Hauptschule sang gestern zur Gedenkfeier auf dem jüdischen Friedhof in Erkelenz. RP-FOTO: JÜRGEN LAASER

Foto: Erkelenz

Erschreckend, wie sehr sich die Bilder gleichen: Zusammengepfercht in einem Boot sitzen die Flüchtlinge beieinander. Sie eint riesige Angst. Angst davor, die Flucht nicht zu überleben. Jüdische Menschen nahmen im Oktober 1943 den Seeweg, um von Dänemark nach Schweden zu gelangen. Heute ist es das Mittelmeer, das zur gefährlichen und tödlichen Route geworden ist. "Fluchtwege - damals und heute", unter diesem Leitwort stand gestern die Gedenkfeier auf dem jüdischen Friedhof. Schüler und Lehrer der Gemeinschaftshauptschule Erkelenz organisieren Jahr für Jahr diese Feier, um an die Reichspogromnacht am 9. November 1938 und ihre schrecklichen Folgen zu erinnern.

In die Feierstunde eingebunden waren auch die Erinnerungen von Charlotte Knobloch, frühere Vorsitzende des Zentralrates der Juden in Deutschland. "Erinnern muss mehr sein als bloßes Gedenken", hat sie einmal gesagt, als sie sich an die Reichskristallnacht erinnerte. Wie Bürgermeister Peter Jansen in seiner Ansprache sagte, sei gerade diese Gedenkfeier ein Zeichen, das mehr denn je wichtig und nötig sei. "Vor einem Jahr habe ich gesagt: Gerade wegen der aktuellen Situation, die geprägt ist von Krisen und Kriegen, angeblich im Namen einer religiösen Bewegung begründeten Terroraktionen wie in Syrien, ist es mehr denn je erforderlich, daran zu erinnern, was in unserem Land und auch in Erkelenz passiert ist und welche Folgen das Wegsehen haben kann. Da es bis heute - trotz des Wissens um die Folgen - nicht gelungen ist, Hass gegen Andersdenkende und Andersgläubige auszumerzen, dürfen wir nie nachlassen, dafür einzutreten, dass niemals mehr von hier aus Ähnliches beginnt oder solches Tun akzeptiert oder toleriert wird." Jansen stellte die kritische Frage, ob die "starken Staaten der Welt genug tun, den Terror dort zu bekämpfen, wo er die Menschen zur Flucht treibt"? Die Krisen seien nicht weit weg, sondern längst hier - in Form der Menschen, die Zuflucht vor Krieg, Elend und Verfolgung suchen. "Die Opfer der Reichskristallnacht waren nicht vergebens, wenn wir die Vergangenheit mit der Situation heute in Verbindung bringen", so Jansen weiter. Ein Schüler brachte es so auf den Punkt: "Wir können die Not der Flüchtlinge lindern, wenn wir das wollen."

(RP)
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