Erkelenz Einzigartiges Priesterinnengrab präsentiert
Erkelenz · Das LVR-Landesmuseum in Bonn präsentiert erstmals einen Sensationsfund aus dem Tagbebauvorfeld bei Erkelenz. 2013 war bei Borschemich ein römisches Priesterinnengrab gefunden und dessen Beigaben danach restauriert worden.
/ Bonn Bei Borschemich (alt) haben Archäologen eine römische Villa fast in Gänze ausgegraben und sind dabei auf einen "archäologischen Sensationsfund" gestoßen: ein überaus prächtig ausgestattetes Priesterinnengrab, das in das zweite Jahrhundert nach Christus datiert wird. Darüber informiert das LVR-Landesmuseum in Bonn, das einige Grabbeigaben nach mehrjähriger Restaurierung derzeit ausstellt.
"Verstorbene in Gräbern einer Berufsgruppe zuzuordnen, ist außerordentlich schwer", erläutert Dr. Alfred Schuler, der Leiter der Ausgrabung in Borschemich (alt). "Hier ist es jedoch über Indizien möglich, zu dem Schluss zu kommen, dass es sich um ein Priesterinnengrab handelt." Und dies sei eine Sensation, denn: "So etwas ist im römischen Rheinland noch unbekannt."
Gefunden haben die Archäologen auf dem Vorfeld des Tagebaus Garzweiler II bei Borschemich eine römische Villa (RP berichtete), deren Ausmaße Schuler beschreibt: "Die Villa haben wir inzwischen fast ganz ausgegraben. Dabei haben wir ein Wohnhaus mit einem Badetrakt entdeckt, ein Speichergebäude, Wirtschaftsgebäude, Brunnen, eine Umhegung mit Graben und Palisaden, Straßen und Wege, die zum Beispiel anhand von eingedrückten Fahrspuren zu erkennen sind, eine Fluchtkammer, einen Kultplatz und zwei Frauengräber. Aufstrebendes Mauerwerk haben wir leider keines gefunden", bedauert Schuler im Gespräch mit unserer Redaktion. "An der Ruine haben sich die Menschen bedient. So wurden Steine beispielsweise für die erste Kirche in Otzenrath, eine im elften Jahrhundert erbaute Saalkirche, verwendet." Zu rekonstruieren sei die Art des Mauerwerks der römischen Villa dennoch. Schuler stellt sich die Frage, ob es sich einmal um eine Wallfahrtskirche mit Unterkunft gehandelt haben könnte? Hierzu sei allerdings noch viel Forschungsarbeit zu leisten.
Die Borschemicher Ausgrabungsstätte ist für die Archäologen besonders. Vor allem die zwei Frauengräber tragen zu dieser Einschätzung bei, erklärt Schuler, der "von einem absoluten Höhpunkt" in seinem Berufsleben spricht. Zusammen mit drei anderen Gräbern war die Priesterin - das zweite Frauengrab ist laut Schuler nicht so genau zuzuordnen - in einem hölzernen Grabbau beigesetzt. Zuvor war sie auf einem Scheiterhaufen verbrannt worden. Ihre Kleidung hatte aus einem golddurchtränkten Stoff sowie einem goldenen Haarnetz bestanden. Zu der Bestattung gehörten ungewöhnlich kunstvoll gearbeitete und kostbare Beigaben. Dabei fanden die Archäologen (Dr. Alfred Schuler und die Techniker Denis und Josef Franzen) nicht nur mehr als 50 gut erhaltene Keramik- und Glasgefäße, sondern auch eine bei Kulthandlungen verwendete Trankopferschale aus dem Halbedelstein Chalzedon, Reste eines einzigartigen Klappstuhls, eine Opferschale aus einem handtellergroßen Bernstein und ein hölzernes Kästchen mit einer äußerst qualitätvollen und präzisen Reliefdarstellungen aus Schildpattverkleidung, das heißt aus Schildkrötenpanzer. Nach Aussagen der Fachleute handelt es sich hierbei um ein Kunstobjekt, wie es bislang ohne direkten Vergleich in der römischen Welt sei. Schuler konkretisiert: "Die Beigaben stammen aus der gesamten damals bekannten Welt. Es muss sich um eine Person von besonderem Rang gehandelt haben." Der Bernstein stamme wahrscheinlich aus dem Baltikum, Chalzedon und Schildpatt wohl aus dem indischen Raum. Auf dem Kästchen, einer sogenannten Accera, sind neben sechs römischen Göttern wie Mars, Apollo und Minerva noch zwei ägyptische Gottheiten Serapis und Hermanubis vertreten. "Ihr Fruchtbarkeits- und Heilungskult ist in den germanischen Provinzen nur sehr selten nachzuweisen und konzentriert sich bislang auf größere Zentren wie Mainz und Köln", ordnet das LVR-Landesmuseum in Bonn den Fund ein. Da das Grab der Priesterin mit der zugehörigen Architektur einem Tempelgrab gleiche, sei es wahrscheinlich, dass wohlhabende einheimische Anhänger des Kultes aus Köln und Umgebung zu der geheimnisvollen Priesterin pilgerten, wie Gläubige im Mittelalter zu den Heiligen. Im römischen Köln habe es sicher einen Serapis-Kult gegeben, wie ein Inschriftenstein vom Gelände des Kölner Doms belege.
Über viele Monate ist das Schildpattkästchen unter Laborbedingungen freigelegt und anschließend konserviert worden. "Das war sehr arbeitsintensiv, aber es hat sich absolut gelohnt", hält Ausgrabungsleiter Alfred Schuler fest - nun kann es bis zum 3. April in der "Archäologischen Landesausstellung NRW" in Bonn besichtigt werden. Diese findet in einem Turnus von fünf Jahren statt und trägt den Ausstellungstitel "REVOLUTION jungSTEINZEIT".