Erkelenz Der schwere Schritt in die neue Heimat

Erkelenz · Mit dem Spatenstich am Samstag hat die Umsiedlung von Keyenberg, Kuckum, Berverath, Ober- und Unterwestrich begonnen.

 Symbolträchtig mit einer Inschrift versehen waren die Spaten, die die "Offiziellen" zum Erschließungsbeginn in den Feldboden stachen.

Symbolträchtig mit einer Inschrift versehen waren die Spaten, die die "Offiziellen" zum Erschließungsbeginn in den Feldboden stachen.

Foto: Jürgen Laaser

Ein Weizenfeld im Erkelenzer Norden schreibt NRW-Energiegeschichte: Neun Schaufeln senkten sich Samstag in den Boden zum "Ersten Spatenstich" für die letzte Umsiedlung aus Orten, die dem Braunkohletagebau weichen müssen. NRW-Minister Franz-Josef Lersch-Mense, Bürgermeister Peter Jansen, RWE-Power-Chef Matthias Hartung und Bürger-Beirats-Chef Fredi Schwarz schwangen die Spaten für die Umsiedlung der Dörfer Keyenberg, Kuckum, Ober- und Unterwestrich sowie Berverath. Ein "Meilenstein", so Bürgermeister Peter Jansen, für die Stadt und die 1600 betroffenen Bürger.

Gut 400 Menschen aus den Umsiedlungsorten, aus Behörden, der Politik und Unternehmen waren der Einladung der Stadt Erkelenz und des Braunkohle-Förder-Unternehmens RWE Power (früher Rheinbraun AG) zum Standort Keyenberg (neu) in Steinwurfweite von Borschemich (neu) gefolgt. Schon von der Bundesstraße 57 in Richtung Rath-Anhoven her war das große Festzelt gut auszumachen, in dem der St.-Josephs-Musikverein Keyenberg spielte, wo die Reden zu diesem Tag gehalten wurden, von dem nicht so genau auszumachen war, ob es ein Freudentag oder die Einleitung einer neuen Phase eines Leidenswegs für die betroffenen Menschen war.

 Zu den offiziellen Gästen gesellten sich im Zelt am Samstag auch viele Betroffene, die unter anderem lebhaft vor dem Modell von Keyenberg (neu) diskutierten.

Zu den offiziellen Gästen gesellten sich im Zelt am Samstag auch viele Betroffene, die unter anderem lebhaft vor dem Modell von Keyenberg (neu) diskutierten.

Foto: Laaser, Jürgen (jl)

Schon an der Zufahrt von der Bundesstraße her hatten Tagebaugegner schwarze Anti-RWE-Luftballons in den blauen Himmel steigen lassen - das Energie-Unternehmen antwortete mit weißen Ballons mit dem Firmen-Logo. Und einer Charmeoffensive in Sachen Bewirtung mit unterschiedlichsten Getränken, Eintopf, Würstchen und Kuchen sowie Kinderprogramm. Vorgesehene Redner für den "offiziellen" Teil waren Bürgermeister Jansen, Minister Lersch-Mense, RWE-Power-Vorstandsvorsitzender Matthias Hartung und Fredi Schwartz als Vorsitzender des Bürgerbeirats für die Umsiedlung der fünf Dörfer. Es wurden dann aber fünf, weil Grünen-Ratsherr Hans Josef Dederichs für die "Interessengemeinschaft Umsiedlung", rund 50 Mitglieder stark, einen langen Brief an die Landesregierung, den Landtag und zahlreiche Behörden verlesen durfte, in dem harsche Kritik am Verfahren geübt wurde, unterbrochen von häufigem Beifall: Das Umsiedlungsverfahren sei wenig transparent, der Bürgerbeirat tage stets nichtöffentlich, Grundbesitzer verlören am neuen Standort bis zu 40 Prozent ihres Besitzwertes und die Zusammenführung von Nachbarschaften sei nicht mehr möglich.

Wie Bürgermeister Peter Jansen äußerten alle Redner Verständnis für die schwierige Situation. Jansen sagte, der Brauch des ersten Spatenstichs stehe im Normalfall für etwas Neues, Wünschenswertes, dieser aber sei kein gewöhnlicher. Spätere Generationen würden ihn vielleicht als "Meilenstein" der lokalen Entwicklung sehen. Er hoffe aber, dass sich bei den Betroffenen mental die Zukunftsgestaltung gegen die Verlustwahrnehmung durchsetze. Die Menschen befassten sich seit rund 20 Jahren mit der Umsiedlung, mit fünf Dörfern habe diese nun eine neue Dimension. Die Schicksalsgemeinschaft der 1600 Menschen tue nun einen "schweren Schritt von der Heimat in eine neue Heimat".

Beispielhaft im Verfahren sei die breite Mitwirkung der Betroffenen. im Bürgerbeirat. Gut 70 Prozent von ihnen hätten sich für den neuen Standort entschieden, rund 1100 wollten gemeinsam wechseln. Jansen dankte den Mitwirkenden, ließ aber keinen Zweifel daran, dass "die Arbeit noch nicht getan ist, wir müssen aber nach vorn schauen".

(isp)
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