Erkelenz Demenz fordert viel Geduld - Angehörige stützt "Alltags-Helden"

Erkelenz · Mehrmals in der Woche besucht Gudrun Klabunde ihren demenzkranken Mann in der Pro 8. Sie weiß, was Pflegekräfte täglich leisten, und setzt sich dafür ein, dass der Beruf mehr Anerkennung bekommt.

 Gudrun Klabunde besucht ihren demenzkranken Mann und setzt sich für mehr Anerkennung des Pflegeberufs ein. Sie nennt die Mitarbeiter in der Pflegeeinrichtung respektvoll die "Helden des Alltags".

Gudrun Klabunde besucht ihren demenzkranken Mann und setzt sich für mehr Anerkennung des Pflegeberufs ein. Sie nennt die Mitarbeiter in der Pflegeeinrichtung respektvoll die "Helden des Alltags".

Foto: HEINRICHS-GRUPPE

Wenn Gudrun Klabunde von ihrem letzten Urlaub mit ihrem Mann erzählt, klingt das wie das Szenario zu einem Roadmovie: Weil der demenzkranke Ehemann noch einmal das Meer sehen möchte, fährt sie mit ihm im Wohnmobil nach Texel. Ein paar Tage verlaufen glücklich, doch dann zeigt die Demenz ihre dunkelste Seite. Nach einem erneuten Krankheitsschub reagiert er unberechenbar und der Urlaub endet mit einer überstürzten Abreise.

Heute lebt Ingo Klabunde, 68 Jahre alt, in der Pro8 II, der beschützten Einrichtung für Menschen mit Demenz der Heinrichs Gruppe in Kückhoven. Gudrun Klabunde erlebt dort fast täglich, was es für das Pflegepersonal heißt, alte und pflegebedürftige Menschen zu betreuen. Aber sie erlebt auch, dass diese Menschen keine Lobby haben. Das müsse sich ändern: "Trotz zahlreicher Studien zur Unzufriedenheit der Pflegekräfte verweigern die Kranken- und Pflegekassen nach wie vor eine leistungsgerechte Vergütung", sagt Gudrun Klabunde. Wäre sie eine der Pflegerinnen, sie wäre schon längst auf die Straße gegangen, so wie es die Erzieherinnen und Kindergärtnerinnen in der Vergangenheit gemacht haben.

Nicht nur, dass die Unzufriedenheit der Beschäftigten durch die schlechte Vergütung noch größer wird. Es entstehe ein regelrechtes Job-Hopping. Pflegefachkräfte wechseln oft zwischen den verschiedenen Anbietern, denn jeder will für sich den Arbeitsplatz mit den besten Bedingungen finden. Nur: Menschen sind Gewohnheitstiere. Das gilt umso mehr für Menschen, die an Demenz erkrankt sind und sensibel auf Veränderungen reagieren. Abweichungen vom Üblichen - seien es noch so kleine - empfinden sie als Stress. "Wenn sie häufig ein anderes Gesicht begrüßt, löst das Unsicherheiten aus", erzählt Gudrun Klabunde.

Die 66-Jährige aus Wegberg hat gemeinsam mit ihrem Mann 22 Jahre lang in Düsseldorf und Mönchengladbach Fachgeschäfte für Motorradbekleidung geführt. Zehn Jahre, bevor sie von der Diagnose Alzheimer erfahren, geben die beiden die Geschäfte auf und setzen sich zur Ruhe. Das Motorradfahren bleibt ihre Leidenschaft: Gemeinsam unternehmen sie noch viele Reisen, unter anderem nach Griechenland. Gudrun Klabunde ist froh, dass sie diese Jahre gemeinsam erlebt haben. Denn danach hat die Demenz ihres Mannes das Leben der beiden völlig verändert. "Bevor Ingo in die Pro8 gekommen ist, hatten wir ein Haus mit Garten. Natürlich war das schön. Aber das habe ich verkauft." Nun wohnt sie seit zwei Jahren wieder zur Miete. "Man muss sich den Gegebenheiten anpassen", sagt sie. Sie grämt sich nicht. Das würde nicht zu ihr passen. Stattdessen möchte sie ihre Zeit nutzen, um für ihre "Helden des Alltags", wie sie die Pflegekräfte nennt, einzusetzen.

Anerkennung bedeutet für sie nicht nur ein entsprechendes Entgelt, von dem man eine Familie ernähren kann, sondern auch Wertschätzung in Form von Lob. "Es gibt so viele Mitarbeiter in der Pflege, die den Bewohnern ein Lächeln aufs Gesicht zaubern - das sind regelrechte Goldstücke." Die Gesellschaft nehme sie jedoch nicht als solche wahr: Pflegekräfte sind halt da, denn irgendjemand muss den Job schließlich erledigen. "Aber wer hat sich tatsächlich einmal ein Bild von seinem Onkel, Freund oder Nachbarn gemacht, wie er jetzt im Heim lebt?", fragt Gudrun Klabunde und zuckt mit den Achseln. Sie kennt die Antwort: kaum einer.

Denkt Gudrun Klabunde an die vergangenen Jahre zurück, seitdem ihr Mann erkrankt ist, fallen ihr viele Begebenheiten ein, die eine permanente Präsenz und unendlich viel Geduld mit dem erkrankten erfordert haben. "Ich bin deshalb sehr froh, dass es geschulte Pflegekräfte gibt, die diese ungeheure Geduld aufbringen und die Kranken liebevoll und fachkundig betreuen", unterstreicht sie. So wie ihren Mann Ingo.

(RP)
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